Ameisen, deren Kolonien oft Hunderttausende oder sogar Millionen von Individuen umfassen, leben auf engem Raum zusammen. Das fördert die Übertragung von Krankheitserregern, wie Dalial Freitak von der Universität Graz schildert. Anders als der Mensch haben die Insekten jedoch Strategien entwickelt, um mit der Bedrohung fertig
zu werden. Die grauschwarze Sklavenameise der Art Formica Fusca wendet eine besondere Taktik an: Sie bekämpft die Ausbreitung des Pilzes Beauveria bassiana mit Hilfe der Ernährung, wie Freitak und ihr Team jüngst in der Fachzeitschrift «Frontiers in Insect Science» berichteten. 

H2O2 aus Blattläusen

«Wird eine Infektion in der Kolonie festgestellt, ergänzen die Tiere ihr Futter mit Wasserstoffperoxid, das grundsätzlich giftig ist», erklärt die Forscherin. Diese flüssige Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff (H2O2) kommt in vielen Haushalten unter anderem als Desinfektions- und Bleichmittel zum Einsatz. Bei Ameisen dient es offenbar durch die von ihm produzierten freien Sauerstoffradikale als wirksames Gegenmittel. Ameisen holen sich Wasserstoffperoxid aus den Kadavern von Blattläusen sowie aus Pflanzen, die Blattläuse haben. Die Forschungsgruppe rund um Freitak hat festgestellt, dass die Insekten - je nach Ausmass der Infektion - die Substanz auch sehr gut dosieren können. In Laborstudien mit 133 Versuchskolonien mit jeweils einer Königin und 100 Arbeiterinnen hat das Team auch herausgefunden, dass sich die Stärke der Selbstmedikationsreaktion einer Kolonie mit zunehmender Krankheitsprävalenz ändert.

«In unserem Experiment fanden wir heraus, dass die Stärke der Selbstmedikationsreaktion plastisch ist und zunimmt, wenn ein grösserer Teil der Kolonie mit einem Pilzerreger infiziert ist», hielten die Autorinnen und Autoren fest. Dass Ameisen ihr Nahrungssuchverhalten ändern, hänge nicht nur von der Verbreitung von Krankheitserregern in ihren Kolonien ab, sondern auch von der Qualität der verfügbaren «medizinischen» Nahrung und möglicherweise von der Schwere der Krankheit. Wie die Forschenden erkannten, geben die für die Fütterung zuständigen Arbeiterinnen die desinfizierend wirkende Nahrung nicht nur an die erkrankten, sondern an alle Artgenossinnen weiter.

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