Jasper, der reisende Kater, hat sich bei Pendlern in Nordengland als ein grosser Hit erwiesen, seit er als blinder Passagier durch alle Lande zieht. Der rotfellige Geselle ist erst eineinhalb Jahre alt. Aber seine Besitzerin fürchtet, dass er schon jetzt die meisten seiner sprichwörtlichen sieben Leben aufgebraucht hat. «Ich werde ihm wohl demnächst eine Jahreskarte für die Bahn kaufen müssen», sagt Steph Keenan, Psychotherapeutin und Mutter von vier Kindern. «Damit er sich nicht noch Schwarzfahrer-Bussen und Strafandrohungen wegen widerrechtlichen Betretens irgendwelcher Sperrgebiete einhandelt.»

Die Keenan-Familie wohnt gleich neben dem Bahnhof von North Shields, in der Grafschaft Tyneside. So war es im Grunde nicht verwunderlich, dass Jasper immer viel Zeit auf dem Bahnsteig verbrachte, den Reisenden dort Gesellschaft leistete und die Bewunderung all derer auf sich zog, denen er schnurrend um die Beine ging. Er war bald jedermann bekannt. Aber dann fing er an, auf wartende Züge aufzuspringen, den Passagieren auf den Schoss zu sitzen und sich nach richtigen Reisegefährten umzusehen. Nach seinem ersten Ausflug bat Keenan den Tierarzt, Jasper einen Chip einzupflanzen. Aber je mehr ihn das Reisefieber packte, desto länger blieb Jasper von zu Hause weg.

Als er einmal vier Wochen lang verschwunden war, inszenierte Keenan in ihrer Verzweiflung eine Facebook-Katzen-Jagd. Sie wusste sich anders nicht mehr zu helfen. Und siehe da: Dank Facebook erkannten Leute, die regelmässig mit dem Zug fahren, Jasper auch fernab seiner Heimat.

Heimliche Karriere als Schauspielkatze?

Einmal war Jasper sechs Wochen und einen Tag lang unterwegs. Das war sein Rekord. Da befürchtete seine Familie schon das Schlimmste. Aber bisher hat ihn noch immer irgendein freundlicher Mensch zu einem Tierarzt oder zu einem Tierheim geschleppt und abgegeben. Dort ist er dann mithilfe seines Chips identifiziert worden. Keenan erhielt Bescheid, wo sie ihn abholen konnte, und durfte sich schnell selbst auf die Reise machen.

«Das letzte Mal, als ich ihn holen musste, war es mir wirklich zu viel», sagt Steph Kee­nan. «Aber generell mache ich mir jetzt nicht mehr so viele Sorgen wie früher. Ich bekomme so viele Anrufe von Leuten, die Jasper gar nicht kennen, ihn aber irgendwo im Zug getroffen haben.»

Lust auf Abenteuer hat der kleine Jasper tatsächlich immer schon an den Tag gelegt. In den ersten sechs Monaten seines Lebens blieb er daheim im Kamin stecken, sass fest in einem Nachbarhaus, in das er durch ein offenes Fenster geschlüpft war, und fand sich einmal sogar, zur Bestürzung seiner Besitzerin, in einer alten, unbenutzten Garage eingeschlossen.

Jedenfalls sieht es nicht so aus, als würde Keenan je die Geduld mit Jasper verlieren. Möglicherweise, sagt sie, habe sie sogar eine Erklärung für Jaspers mysteriöse Reiselust. «Er ist ja doch ein ganz ansehnliches Kerlchen. Und kürzlich ist uns eine Katze in einem Werbespot im Fernsehen aufgefallen, die ganz genau wie Jasper aussieht», erzählt Keenan. «Seither fragen wir uns, ob er auf einer seiner Reisen vielleicht sogar bis London gekommen ist – und dort klammheimlich eine Schauspieler-Karriere angetreten hat.»

Tomba, Oscar Fox und andere Katzen auf Reisen

Es heisst zwar, Katzen seien ortsgebunden, mehr als andere Tiere. Trotzdem sorgen immer wieder Katzen und ihre Reiseabenteuer für Schlagzeilen. Erst kürzlich wieder: Die Medien berichteten von einem jungen Büsi, das als blinder Passagier mit einem Airbus der Fluggesellschaft Swiss von Athen in die Schweiz geflogen war. Es war vielleicht nicht echte Reiselust, die es in den Fahrwerkschacht des Flugzeugs getrieben hatte, sondern vielmehr der Drang, dem lausigen Dasein als Strassenkatze in Athen zu entfliehen. So oder so hat sich die strapaziöse Reise für das Katerchen gelohnt: Unter dem Namen Oscar Fox lebt es nun wohlbehütet bei dem Flugzeugmechaniker, der es in Zürich-Kloten entdeckt hat («Tierwelt Online» hat berichtet), und es ist ihm zu wünschen, dass es nie an einen Rückflug denkt.

Aus welchem Grund zwei erst neun Wochen alte Katzen letzten Herbst im appenzellischen Unter­eggen beim Auto ihres Frauchens unter die Motorhaube gekrochen und so die rund 17 Kilometer bis zu dessen Arbeitsplatz in Herisau mitgefahren sind, lässt sich ebenfalls nur erahnen. Wahrscheinlich Neugier. Jedenfalls schafften es die beiden mit ihrer spektakulären Reise in die regionale Presse. 

Sogar um die Welt ging vor ein paar Jahren die Geschichte von Kater Charles aus Albuquerque in New Mexico (USA), der acht Monate nach seinem Verschwinden in Chicago dank seines Chips wiedergefunden wurde. Wie er die Distanz von mehr als 2000 Kilometern zurückgelegt hat, ist bis heute ein Rätsel. Gemäss dem Tierarzt, der ihn untersuchte, hätten seine Pfoten nach einer solch langen Wanderschaft anders ausgesehen. Vielleicht wählte das Tier ja auch ein bequemeres Transportmittel als die eigenen vier Beine: Wie seine Besitzerin den Medien sagte, ist Charles schon immer gerne Auto gefahren.

Tomba hingegen war ein echter Naturbursche. Der Kater vom Berghotel Schwarenbach oberhalb Kandersteg im Berner Oberland ging Ende der 1980er-Jahre als grosser Gipfelstürmer in die Geschichte ein. Medien aus aller Welt berichteten über Tomba, der die Bergsteiger gerne auf ihren Touren begleitete. Kein Gipfel war ihm zu hoch, er hat in seinem kurzen Leben – er musste im Alter von fünf Jahren wegen einer Immunkrankheit eingeschläfert werden – alle in der Gegend erklettert. Und er kehrte immer wieder nach Hause zurück. 

Ein Ehepaar, das bei einer Bergtour von Tomba begleitet wurde, ist sogar überzeugt, dass der Kater ihnen das Leben gerettet hat. «Bergführer» Tomba sei plötzlich stehen geblieben und dann hinter einem grossen Fels verschwunden. Die beiden Alpinisten folgten ihm und kurz darauf donnerte ein Lawine über ihre Aufstiegsspur hinweg. 
Monika Zech