Der Gedanke, den eigenen Vierbeiner zu Hause selbst zu trainieren, ist verlockend. Coaching-Sendungen und Videos bieten diese Möglichkeit an, so beschliesse ich, einen Versuch mit meinen Hunden zu wagen. 

Über die deutschsprachige Fernseh-Landschaft herrschen zwei Hundetrainer: die deutsche TV-Ikone Martin Rütter und der Amerikaner Cesar Millan. Beide beschäftigen sich mit verhaltensgestörten, teils aggressiven Hunden. Millan setzt dabei auf dominante Härte. «Man sieht jedoch nicht, dass er mit stark aversiven Methoden arbeitet», kritisiert Manuela Albrecht die fehlende Transparenz solcher Sendungen. Laut der Hundetrainerin und -psychologin aus dem sankt-gallischen Wittenbach werden solche Sequenzen herausgeschnitten. Vielleicht eignet sich eine Rütter-Sendung besser zum Selbsttest?

Martin Rütter's Kurztipps: Können alte Hunde noch sozialisiert werden?

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Konkrete Zeitangaben fehlen
Erster Versuch: Ex-Strassenhündin Gara, mein zweijähriger Neuzugang, bellt bei vielem und auch oft zu Hause. Vor Selbstversuchen, wie ich ihn mit Gara plane, warnt Hundetrainer Alain Scheidegger aus Basel allerdings: «Bei Verhaltensproblemen bedarf es einer gründlichen Anamnese.» So kreist auch Rütter in der Sendung die möglichen Gründe durch Testläufe ein, bis er sich für einen von zwei Lösungsansätzen entscheidet. «Ob der Halter das Verhalten seines Hundes richtig interpretiert, die korrekten Schlüsse daraus zieht und die entsprechenden
Lösungsansätze findet, ist allerdings fraglich», sagt Scheidegger und scheint recht zu haben: Weder ist mir klar, warum Gara bellt, noch kann ich der Sendung eine Lösung für Gara entnehmen.

Zweiter Versuch: Diesmal erprobe ich die neuzeitliche Lernquelle YouTube. Dort erklärt eine Hundetrainerin das Kommando «Steh». Leider erschliesst sich mir der Aufbau des Trainings nicht. Anstelle wähle ich das Signal «sich ran setzen». Mit einem Leckerli versuche ich, meine sechsjährige Labradorhündin Balu in die gewünschte Position zu leiten. Nach gefühlten 200 Versuchen habe ich Rückenschmerzen, Balu jedoch folgt dem Gudi noch immer nicht. 

Ich versuche es mit Gara. Begeistert läuft sie dem Gudi hinterher. Na also! Nur: Die Nase stets am Leckerli, dreht sie sich hüpfend weiter, anstatt neben mir stehen zu bleiben. «Schwierig wird es, wenn der Hund nicht das tut wie der Hund im Video», weiss Scheideg­ger um mein Problem. Da ich niemanden fragen kann, was zu tun ist, begehe ich den Kardinalfehler: Ich stöbere weiter in Videos. «Beim Ausprobieren stellen Halter oft fest, dass die Methode nach wenigen Tagen nicht fruchtet. Keiner erklärt im Video, dass es eine Weile dauert mit der Gewöhnung und es Rückschläge gibt», erklärt Manuela Albrecht.

Fragen über Fragen
Dritter Versuch: Ein anderer Trainingskanal erklärt detaillierter: «Zwischen die Beine setzen!» Balu, Gara und meine siebenjährige Labradorhündin Gipsy sind die Probanden. Angeblich dauere es nur wenige Minuten, höchstens Tage, bis der Hund es kann. Ich plane zwei Übungseinheiten pro Tag. Denn: «Konkrete Angaben zu Wiederholungen und Zeitraum fehlen leider fast immer», sagt Albrecht. Oftmals seien Hundehalter dann zu ehrgeizig. 

Wie auf dem Video führe ich die Übung aus. Am dritten Tag haben Balu und Gara es begriffen. Laut Video soll ich nun das Kommando einbauen. Das klingt einfach. Sei es aber nicht, warnt Albrecht: «Wie auch Fernseh-Coachings nur Zusammenschnitte von wochenlangem Training sind, haben die Hunde auf YouTube bereits richtig lange geübt.» Eher durch Zufall gebe ich das Wortsignal zum richtigen Zeitpunkt. Auch frage ich mich, wie wir das ohne Leckerlis hinbekommen sollen. Und was ist mit Gipsy? Die findet es noch immer höchst suspekt, sich zwischen meine Beine zu stellen. Wir werden weiter üben ...

Vierter Versuch: Der YouTube-Kanal bietet auch Tipps für den Mehrhundehaushalt. So versuche ich meiner Meute – es machen noch zwei weitere Hunde mit – beizubringen, sitzend zu warten und ausschliesslich bei Namensnennung das Leckerli aus meiner offenen Hand zu nehmen. In solchen Situationen zeigten sich meine Hunde bisher relativ geduldig. Seit Wirbelsturm Gara bei uns ist, ist dies anders. Wir üben: Im Abstand hinsetzen lassen, Hand in die Mitte, aufmachen, Futter zeigen. Wie auf Kommando bricht das Chaos aus, alle Tiere stürmen auf das Leckerli zu. 

Also gilt es, erstmal wieder Ordnung zu schaffen. Nach vier Versuchen klappt es zu meinem Erstaunen überraschend gut: Der genannte Hund nimmt das Gudi – während ich die anderen Vierbeiner auf ihre Plätze zurückpfeife. Das ergatterte Leckerli wird aber gleich als Freifahrtschein für die nächste Runde erachtet. Da will der Hund so gar nicht auf seinem Platz bleiben. Verwirrung stiftet in diesem Szenario auch die «Name-Nein!»-Kombination. Ich habe Fragen über Fragen, die ich jedoch keinem stellen kann. 

Fünfter Versuch: Angespornt vom Teil­erfolg, wage ich mich an einen weiteren Tipp des YouTube-Trainers: dem Hund das Anspringen abgewöhnen. Diese Idee wird bei meinen «Oldies» per Handzeichen im Keim erstickt. Mit der quirligen, anspringfreudigen Gara teste ich die vorgeschlagene Alternative: Vorderpfoten in der Luft packen und Hund rückwärtslaufen lassen. Bereits am nächsten Tag springt auch Balu mich freudig an, um das «Spiel» zu spielen. Derweil kann Gara bereits eigenständig auf zwei Beinen etwas rückwärtslaufen. Wir werden mit Handzeichen üben.

Fazit: Als Input okay, live ist besser

Die richtige Online-Quelle für Instruktionen zu finden ist schwer. Lehrvideos mit guter, detaillierter Anleitung gibt es nur wenige. Erläuterungen zu möglichen Fehlern und wie man diese vermeiden kann, sucht man vergebens. «Viele Videos taugen nur als Input», sagt Hundepsychologin Manuela Albrecht. Als Trainings-Bibel würde sie die meisten nicht empfehlen. 

Hundetrainer Alain Scheidegger sieht es ähnlich. Für das Verstehen der Sequenzen beim Signal-, Target- oder Clickeraufbau könnten Videoanleitungen hilfreich sein. Bei allen anderen Videos sollte man Vorsicht walten lassen. «Zum Teil sind die Tipps und Anleitungen extrem fragwürdig.»

Wie beim Sport oder den schönen Künsten lernt man beim Hundetraining ebenfalls am besten unter professioneller Live-Anleitung. Nur indem die Technik ständig kontrolliert und korrigiert wird, wird sie geformt. In den USA ist man übrigens bereits einen Schritt weiter: Professionelle Online-Kurse bauen sukzessive aufeinander auf und Fortschritte werden von Trainern per Video kontrolliert sowie kommentiert. Denn ohne geht es meist eben doch nicht.

Trainingsvideos für Hunde

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