Kältekonservierung von Wurmparasiten», «Menschliches Lebergewebe als Ersatz des Tierversuchs bei der Arzneimittelprüfung» oder «Verminderung von Tierversuchen in der Tollwut-Diagnostik durch Verbesserung der In-vitro-Diagnostik-Methoden», so lauteten die Titel von drei Forschungsprojekten von Schweizer Universitäten, welche die «Stiftung Forschung 3R» in ihrem Gründungsjahr 1987 finanziell unterstützte.

3R steht für Replacement, Reduction und Refinement, also fürs Ersetzen, Reduzieren und Verbessern von Tierversuchen – drei Prinzipien, welche die englischen Forscher W. M. S. Russel und R. L. Burch im Jahr 1959 definierten. Es könne nicht zu oft wiederholt werden, schrieben sie, dass wir Tierversuchen «viele, wenn nicht die meisten Möglichkeiten der modernen Medizin und zahlreiche Fortschritte in grundsätzlichen Erkenntnissen der Wissenschaft» verdanken. Gleichzeitig sei eine möglichst humane Behandlung von Versuchstieren die Voraussetzung für erfolgreiche, effiziente Forschung. Und um Experimente humaner zu machen, könne man in drei Bereichen ansetzen: Versuchstiere ersetzen durch empfindungsloses Material; die Anzahl benötigter Versuchstiere zum Beantworten einer Fragestellung reduzieren sowie bei denjenigen Versuchen, die nötig bleiben, die Häufigkeit und den Schweregrad der Eingriffe vermindern. Eben: Replace, Reduce, Refine oder kurz 3R.

Um diese Prinzipien auch in der Schweiz zu festigen, riefen die parlamentarische Gruppe für Tierversuchsfragen, die Interpharma und der Fonds für versuchstierfreie Forschung (heute Stiftung Animalfree Research) im Jahr 1987 die Stiftung Forschung 3R ins Leben. Sie hat in den 30 Jahren ihres Bestehens 146 Forschungsprojekte mit insgesamt rund 19 Millionen Franken unterstützt, wobei das Geld jeweils etwa zur Hälfte vom Bund und vom Branchenverband Interpharma stammte.

Im Bereich «Ersetzen von Tierversuchen» etwa erarbeiteten Zürcher Parasitologen während dreier Jahre Gefriertechniken, die es möglich machen, für Forschung und Dia­gnostik wichtige Parasiten jahrelang lebensfähig zu erhalten, ohne dass man sie dafür ständig in lebendigen Tieren «kultivieren» muss. Zahlreiche Projekte hatten auch zum Ziel, Zellkulturmodelle zu entwickeln oder zu verbessern, etwa In-vitro-Modelle menschlicher Gehirntumore, menschlicher Haut, menschlicher Darmzellen oder eine sogenannte «Lunge auf Chip».

Tierversuche sind etwas Komplexes
Im Bereich «Reduzieren von Tierversuchen» untersuchte etwa eine Studie den Verlauf von Lungenentzündungen bei Ratten mithilfe von Magnetresonanz-Bildern. Da man so wiederholt das gleiche Tier untersucht, anstatt Tiere in unterschiedlichen Stadien der Lungenentzündung zu töten und zu sezieren, konnte die Zahl der Versuchstiere um 80 bis 90 Prozent reduziert werden.

Auch im Bereich «Verbessern von Tierversuchen» gab es diverse Projekte. So erforschte eines, wie sich verbesserte Haltungsbedingungen bei Labormäusen auf die Resultate von Experimenten auswirken; und gleich mehrere Projekte untersuchten, wie man bei Labormäusen und weiteren Versuchstieren Schmerz besser erkennt und lindert.

«Anfangs hat man sich das Ganze ein bisschen zu einfach vorgestellt: Man sucht eine Alternative und dann kann man gleich sehen, wie die Anzahl Tierversuche zurückgeht. Aber so einfach ist es nicht», sagt Ernst P. Diener, inzwischen pensionierter Jurist und seit Beginn der Geschäftsführer der Stiftung. Ein Tierversuch sei etwas Komplexes. Ausserdem seien Bereiche wie etwa Medikamentenzulassung oder Toxizitätsprüfung stark reguliert. Bis die Zuverlässigkeit einer neuen Methode erwiesen sei und sie als Ersatz für Tierversuche zugelassen werde, dauere es schnell zehn bis zwanzig Jahre.

Keinen «Flächenbrand» erreicht
Die Stiftung habe mit ihrer Arbeit sicher mitgeholfen, die Prinzipien bekannter zu machen. «Wichtig war die Stiftung vor allem auch als Gesprächsplattform, um Vertreter aus Tierschutz, Pharmaindustrie, Politik und Verwaltung an einen Tisch zusammenzubringen. Denn die 80er-Jahre waren in diesem Bereich politisch eine sehr spannungsgeladene Zeit», erinnert sich Diener. Es gab eine Initiative zur Abschaffung von Tierversuchen und zwischen Tierschutz und Pharmaindustrie quasi keinen Dialog. «Wir wollten zeigen, dass man auch ohne Konfrontation etwas erreichen kann in Sachen Tierwohl.»

Unterdessen sind die 3R-Prinzipien insbesondere in der forschenden Industrie etabliert und in die Tierschutzgesetzgebung eingeflossen. Die Anzahl der in der Schweiz eingesetzten Versuchstiere ist von 2 Millionen im Jahr 1983 auf 630 000 im Jahr 2016 gesunken, wobei sie seit dem Jahr 2000 wieder etwas angestiegen ist. Und Ernst P. Diener räumt ein: «Die Finanzen der Stiftung waren zu knapp für einen Flächenbrand.» Auch der Bundesrat hielt 2015 in einem Bericht fest: «Die der Stiftung zur Verfügung stehenden Mittel genügen bei Weitem nicht, um die grosse Zahl von vielversprechenden 3R-Forschungsansätzen zu realisieren und eine spürbare und nachhaltige Wirkung erzielen zu können.» 

Um weitere Fortschritte zu erzielen, beschloss er die Schaffung eines nationalen 3R-Kompetenzzentrums. Im Frühjahr 2016 beauftragte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) Swiss­universities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen, damit, Struktur und Aufgabengebiet dieses Zentrums auszuarbeiten. Da die Gelder von Bund und Interpharma künftig ins nationale Kompetenzzentrum fliessen werden, vergibt die Stiftung Forschung 3R seit 2016 keine neuen Forschungsbeiträge mehr und wird aufgelöst. Diener hofft, dass dem geplanten Kompetenzzentrum mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden als der Stiftung und dass künftig Forschende in der Ausbildung stärker für die Thematik sensibilisiert werden.