Hunde, die einen Wagen ziehen. Das mag für manche Menschen ein aussergewöhnliches Bild sein – für Luzia Huber aus Bussnang TG ist es längst zum Alltag geworden. Täglich ist sie mit ihrem Hundewagen unterwegs. Mittlerweile hat sie auch andere Hündeler in der Umgebung für die zügige Sportart begeistern können. Eine achtköpfige Gruppe trifft sich bis zu drei Mal in der Woche für eine Ausfahrt.

Selbst Regenwetter hält Huber nicht ab. Eingepackt in eine wetterfeste Jacke spannt sie ihre zwei Border Collies vor den Wagen. Ein Hundewagen besitzt vier Räder und ähnelt von Weitem einer grossen stabilen Seifenkiste. Er wiegt 34 Kilogramm, hat eine Grösse von 162 Zentimeter und kann maximal 150 Kilogramm fassen. Der Wagen ist mit einer Bremse sowie einem Steuerbügel ausgestattet. Gesteuert wird mit den Füssen. Aus Sicherheitsgründen sollte die Hand des Fahrers ständig an der Bremse sein. Der Wagen kann von einem, zwei oder sogar drei Hunden gezogen werden. Profis spannen gar bis zu fünf Hunde vor ihren Wagen.

Der Erfinder kommt aus Norwegen
Mit dabei sind heute auch Hubers Mann Roland und zwei weitere Hundewagen-Begeisterte: Nadja Grether und Monika De Villa. Beide haben das Hundewagenfahren durch Huber kennen- und lieben gelernt. Und ab geht die Fahrt: Mit bis zu 25 Stundenkilometern sind die Wagen unterwegs. Nicht alle Hunde wollen gleich von Anfang an Vollgas geben. Doch dann finden sie ihren Rhythmus. Im Eiltempo kommen sie um die Ecke gerannt: Nadja Grether führt die Gruppe an. Nur wenige Sekunden dauert es und dann folgen die anderen Fahrer – alle mit einem Lächeln im Gesicht. 

Huber hat schon immer verrückte Sachen ausprobiert. Früher ritt sie Kühe und fuhr mit Schafböcken im Wagen aus. Die lebensfrohe und neugierige Hundeliebhaberin war gleich von der Sportart begeistert, als sie sie zum ersten Mal ausprobierte. Das war vor 20 Jahren. Seitdem ist sie vom Hundewagenfahren fasziniert. Huber fährt nicht nur, sondern sie verkauft die Hundwagen auch. Diese stammen aus Norwegen. Der Erfinder erlitt vor vielen Jahren eine Querschnittslähmung und wollte trotzdem mit seinen Hunden aktiv sein. So entwickelte er den vierrädrigen «Sacco-Hundewagen». Er nannte das Gefährt «Sacco», weil sein damaliger Hund so hiess. 

Das Zug-Geschirr muss sitzen
Huber darf als Schweizer Generalimporteurin diese Wagen in der Schweiz vertreiben. «Ich verkaufe keinen Wagen ohne mehrstündigen Grundkurs», sagt sie bestimmt. Dafür nimmt sich Huber gerne Zeit. «Das Wohl des Hundes steht immer an erster Stelle.» Zum Trendsport wird der Zughundesport wohl kaum werden. Denn er ist nicht gerade billig: Zwar hält das Gerät fast ein Leben lang, doch mit 2500 Franken Anschaffungskosten gehört es eher zu den teureren Sportgeräten.

Bevor ein Hund vor den Wagen gespannt wird, muss seine Kondition trainiert werden. Am besten geht das, indem der Halter mit dem Fahrrad den Vierbeiner trainiert. So lernt der Hund, über längere Distanzen zu laufen. Nach der Ausdauer folgt der Muskelaufbau. Angefangen wird mit kleinen Distanzen von einem Kilometer. Zuerst wird nur mit der Leine geübt, erst später wird der Hund in das Zuggeschirr gespannt. «Es ist ganz wichtig, dass das Geschirr gut sitzt», sagt Huber, die selber Zug-Geschirre für Hunde und Ponys herstellt. Bevor es losgeht, sollte sich der Hund erst noch etwas warm laufen. 

Viele Hunde haben den Zieh-Drang instinktiv in sich. Der Fahrer kann den Hund nur mit Worten anspornen. Es gibt weder Zügel noch eine Peitsche. Mit Anweisungen wie «Achtung langsam» und «vorwärts» wird der Hund auf Verkehrssituationen vorbereitet. Er sollte jedoch nicht überfordert werden. Zehn Minuten nach dem Fahren muss er wieder einen normalen Puls haben. 

«Wenn der Hund keine Lust hat, dann bleibt er stehen, zwingen kann man ihn nicht», sagt Huber. Ausserdem brauche es ein enormes Vertrauen zwischen dem Hund und seinem Besitzer. Geht es bergab, muss der Halter bremsen, sonst wird der Hund vom Wagen geschoben. «Macht man etwas falsch, vergisst das der Hund nie», sagt Huber. 

Grundsätzlich ist jede Rasse für den Sport geeignet. Ideal ist eine Grösse ab 50 Zentimeter. Hunde sollten erst ab dem ersten Lebensjahr mit der Sportart beginnen, dann sind ihre Knochen vollständig ausgewachsen. Der Hund muss bei einer ebenen Strasse nie mehr als drei Kilogramm ziehen, das Gewicht des Halters verteilt sich so gut auf den Wagen. «Wenn es bergauf geht, dann helfe ich meistens mit den Beinen nach», sagt Huber. Zur Schonung der tierischen Gelenke, rät sie, vermehrt auf weichen Waldwegen zu fahren. 

Mit dem Hundewagen auf der Strasse
Der Hundewagen ist laut Gesetz ein «Tierfuhrwerk». Auch ohne Nummernschild gelten für ihn im Strassenverkehr die gleichen Verkehrsregeln wie für Kutschen. Das heisst, er darf auf allen Strassen gefahren werden, sogar auf Kreiseln. «Wir werden manchmal schon komisch angeschaut», sagt Huber. Doch generell finden es die Leute toll und wollen es sofort mit ihrem eigenen Hund ausprobieren. «Früher wurde man noch angeblafft, ob man zu faul sei, mit dem Hund zu laufen», erinnert sich Huber. Das habe sich in den letzten Jahren stark verändert. 

Das Wagenfahren ist auch eine Wettkampfsportart. Pro Jahr werden in der Schweiz drei bis vier Rennen durchgeführt. Huber nimmt oft daran teil und das mit grossem Erfolg: In ihrem Treppenhaus stehen etliche Pokale und Auszeichnungen. Die Titel «Schweizer Meisterin» und «Swiss-Cup-Siegerin» sind nur zwei von vielen. Heute geht es ihr mehr um den Spass als um den Rang. «Klar möchte man gewinnen, doch die Teilnahme ist viel wichtiger», sagt sie.

Für Huber und die anderen Hundefreunde bedeutet das Fahren pures Vergnügen. «Man vergisst einfach alles», sagt sie. «Hat man einen schlechten Tag, ist nach der Ausfahrt alles wieder gut», stimmt Nadja Grether zu. Ausserdem sei es ein gutes Training für das Selbstwertgefühl des Hundes. Monika De Villa etwa hatte einen Hund, der ängstlich und in sich gekehrt war. Seit er den Wagen mit ihr zieht, ist er richtig aufgeblüht. Das Hundewagenfahren sei ein gemeinsames Erlebnis, das die Bindung zwischen Hund und Halter stärke, darin sind sich alle einig.

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