Auf dem Meeresboden unterhalb eines frisch abgebrochenen Eisbergs in der Antarktis haben Forschende eine überraschend grosse Lebensvielfalt entdeckt. Erste Foto- und Filmaufnahmen hätten ein artenreiches Ökosystem in einer Region gezeigt, die für Jahrzehnte von Eis bedeckt war, teilte das Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Mittwoch mit.

Der Eisberg A74 hatte sich am 26. Februar vom Brunt-Schelfeis gelöst. Er ist mit 1270 Quadratkilometern etwa doppelt so gross wie Berlin. In der Nähe befand sich das Forschungsschiff «Polarstern» auf Expedition. Die Wissenschaftler entschieden, in den Spalt zwischen Schelfeiskante und Eisberg vorzudringen, um den lange unter mehreren hundert Metern Eis verborgenen Meeresboden zu erkunden.

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Begeisterung an Bord
Das Tiefsee-Team der «Polarstern» konnte mit Unterwasserkameras in einer Schlammlandschaft zahlreiche Tiere beobachten, die auf Steinen festsassen. Die meisten seien Filtrierer. Auch mobile Arten wie Seegurken, Seesterne, Weichtiere sowie mindestens fünf Fischarten und zwei Tintenfischarten wurden entdeckt.

«Es ist ein Glücksfall, dass wir flexibel reagieren und das Abbruchgeschehen am Brunt-Schelfeis aktuell so detailliert erforschen konnten», sagt Expeditionsleiter Hartmut Hellmer. Die Aufnahmen sorgten für Begeisterung an Bord. Nur selten gelinge es, vor Ort zu sein, wenn ein Gebiet erstmals mit Sonnenlicht in Kontakt komme. Eisberge wie A74 brechen laut AWI am Antarktischen Eisschild nur alle zehn Jahre ab. Das sogenannte Kalben ist ein normaler Vorgang.

Die «Polarstern» ist seit Anfang Februar im Weddellmeer unterwegs, um Langzeitdaten für Klimavorhersagen zu ermitteln. Die Forschenden waren wegen der Corona-Pandemie auf den Falklandinseln an Bord gegangen. Dorthin waren sie geflogen: Nach Angaben der Lufthansa war es der längste Nonstop-Passagierflug in der Geschichte des Unternehmens.