Mars Staufer war schon lange Mitglied der Natur- und Umweltorganisation WWF, aber nicht aktiv für sie tätig. Dann sah er zufällig ein Inserat, mit welchem der WWF Riverwatcher suchte. Das sind Freiwillige, die Flüsse und Bäche regelmässig beobachten und sie sozusagen unter ihre Fittiche nehmen. Sie melden dem WWF Bedrohungen an den Gewässern, helfen mit, gewässerfeindliche Eingriffe zu stoppen und zu beseitigen, indem sie Revitalisierungsprojekte auf den Weg bringen. Staufer fühlte sich sofort angesprochen und meldete sich beim WWF. Das war anno 2005. 

Der in Kreuzlingen TG am Bodensee aufgewachsene, pensionierte Elektroingenieur und Computerfachmann wurde vom WWF eingeladen und nahm als einer der Ersten an dessen Kurs für potenzielle Riverwatcher teil. Er erwarb dabei Grundkenntnisse über Gewässerökologie und -dynamik, Flora und Fauna sowie Wasserbau und Technik. Unterdessen hat der WWF mehrere Hundert Riverwatcher ausgebildet, aktiv wie Mars Staufer sind schweizweit zurzeit etwa 40. Sie machen für den WWF Bestandesaufnahmen von Fliessgewässern, dokumentieren diese und melden Veränderungen, treffen Vorabklärungen für Revitalisierungsmassnahmen, suchen nach Verbündeten in der Öffentlichkeit, bei Vereinen und Behörden und leisten Überzeugungsarbeit.

Weniger Schwierigkeiten als erwartet
In der Nähe seines Wohnorts Oberlunkhofen AG entdeckte Staufer, dass das Flüsschen Bünz auf vielen Strecken einbetoniert und kanalisiert war. Die Bünz war in den 1930er- und 1940er-Jahren in einen mit Blocksteinen befestigten Kanal gezwängt worden, weil man in den Krisen- und Kriegsjahren jeden Quadratmeter Boden für die Landwirtschaft nutzbar machen wollte. Es habe ihm wehgetan, den Bach so zu sehen, sagt Staufer. Er startete das Projekt Murimoos, um die Bünz auf einer Strecke von 900 Metern aus ihrem künstlichen Korsett zu befreien.

Ich nahm mit dem Kanton, den Gemeinden Muri AG und Aristau AG sowie mit dem Grundbesitzer Kontakt auf und stiess bei allen sofort auf Wohlwollen», erinnert sich Staufer. Eigentlich war er auf viele Schwierigkeiten gefasst gewesen. Er staunte, wie gross das Verständnis und Entgegenkommen auch der Behörden waren.

Das wachsende Bewusstsein, dass die Übernutzung der Fliessgewässer wertvolle Lebensräume zerstört und zu millionenteuren Schäden durch Hochwasser führt, hat seit einiger Zeit zu einem Umdenken geführt. Behörden, Private aber auch Umwelt- und Fischerverbände setzen sich für Gewässerschutz ein. Mit diversen Projekten werden Flussabschnitte revitalisiert und in naturnahen Zustand zurückversetzt. Tausend Jahre würde es allerdings beim heutigen Tempo dauern, die verbauten Abschnitte der 60 000 Kilometer Fliessgewässer in der Schweiz zu revitalisieren, erklärt Staufer.  

Vom Rohkonzept bis zur Vollendung des Projekts brauchte Staufer nur rund zwei Jahre. Der heute 82-Jährige profitierte vom früheren Beziehungsnetz aus seinem Berufsleben, seiner Lebenserfahrung und dem Verhandlungsgeschick beim Umgang mit Behörden, Bauern und anderen Anstössern. Bevor er engagiert und geduldig auf die Ansprechpartner zuging, informierte er sich ausgiebig, damit er bei Diskussionen treffende Argumente hatte.

Eine Steilwand für den Eisvogel
Zusammen mit Gleichgesinnten hat er die Bünz aus ihrem Korsett befreit. Standortfremde Bäume wurden ausgeforstet. Die Wurzelstöcke wurden als Strukturelemente für Unterstände von Fischen verwendet. Störsteine, Buhnen und ins Wasser ragende Baumstämme sorgen für Widerwasser, Buchten und Inselchen verlangsamen die Strömung und bieten Unterschlupf für Wassertiere. In nur zwei Jahren hatten sich Sand- und Kiesbänke gebildet. Mittlerweile haben sich wieder Hechte, Bachforellen, Gründlinge, Groppen und sogar Krebse angesiedelt. Die Bünz und deren Umgebung sind zu einem Paradies für Fische, Vögel und Insekten geworden. 

Nach Vollendung des Abschnitts Murimoos ergriff Staufer die Initiative, etwas bachaufwärts, im Hasli, ein weiteres Stück der Bünz und des Katzenbachs zu revitalisieren. Dort wurde zudem eine Eisvogelwand erstellt, in welcher die bedrohten Vögel nisten können. Die Revitalisierung dient auch dem Hochwasserschutz: Das Wasser hat heute mehr Raum und fliesst langsamer. 

Nicht nur für Tiere hat Staufer an der Bünz Lebensraum auferstehen lassen. Er hat sich ausserdem für einen Wassererlebnis(t)raum für Kinder eingesetzt. Kaum waren die Sanierungsarbeiten an der Bünz abgeschlossen, hat er den Bau eines Wasserspielplatzes im Murimoos in Angriff genommen. Während drei Monaten akquirierte er mit grossem Einsatz Sponsoren und bekam schliesslich 130 000 Franken zusammen. Am Wasserspielplatz können Kinder den Bach heute hautnah erleben, durchs Wasser waten, über Holzbrücken und Baumstämme balancieren, in einer Baumhütte spielen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wasserqualität der Bünz einwandfrei und für Jung und Alt zum Baden geeignet ist.

Auch heute kümmert sich Mars Staufer noch um «sein» Fliessgewässer. Etwa alle zwei Monate begutachtet er die Bünz und entfernt Abfall. Er kämpft gegen Neophyten, gebietsfremde Pflanzen, die sich rasch und invasiv ausbreiten und die einheimische Pflanzenwelt bedrohen, wie etwa den Japan-Knöterich oder das Drüsige Springkraut. Schulen und anderen Gruppen bietet er Führungen entlang der Bünz an. Gern möchte er ein weiteres Stück weiter oben revitalisieren, wenn der Landbesitzer mitmachen würde.

Warum wendet Staufer freiwillig Hunderte von Stunden für die Erhaltung der Bünzer Flusslandschaft auf? Es sei eine wunderschöne Aufgabe, man arbeite mit Gleichgesinnten zusammen und verfolge ein gemeinsames Ziel. Für den Vater von zwei Söhnen und zwei Töchtern und Grossvater von sieben Enkelkindern, einem Mädchen und sechs Buben, ist aber das wichtigste Motiv: «Ich will dazu beitragen, dass für meine Kinder und Enkel die Natur in ihrer Vielfalt und mit ihrem Reichtum erhalten bleibt.»