Normalerweise habe ich einen tiefen Schlaf. Damit ich aus ihm aufschrecke, muss es schon ordentlich krachen. So wie in der Nacht auf Dienstag. Der gewaltige Rums kurz vor zwei Uhr war nicht zu überhören. Der Blitz musste ganz in der Nähe eingeschlagen haben.

Dass Gewitter angesagt waren, wusste ich. Dass sie sich in dieser Nacht allerdings ausgerechnet über unserer Wohngemeinde im Kanton Zürich zeitweise mit der grössten Intensität entladen würden, war mir hingegen neu. Gewissheit gab erst der Blick auf die Wetter-App am Mobiltelefon neben dem Bett.

Aufgeschreckt aus einem Traum, in dem gerade die Sonne schien (an weitere Details erinnere ich mich nicht mehr), erschrak ich umso mehr angesichts dessen, was sich da auf dem Radar offenbarte. Normalerweise habe ich keine Angst, wenn sich draussen etwas zusammenbraut, gewiss aber Respekt vor den Natugewalten. Beim Anblick des violetten Nadelstrichs auf der App, der das Wettergeschehen ausgerechnet über unserer Wohngemeinde als rekordverdächtig auswies – und dessen obiges Ende die Intensitäts-Skala sprengte – wurde es mir doch etwas mulmig zumute.

Im Dauerblitzgewitter
Zu recht, wie der Blick aus dem Schrägdachfenster zeigte. Das Dauerblitzen blendete mich, sobald ich die Storen hochgezogen hatte. Es sah aus, als wären Dutzende Stroboskope gleichzeitig in Betrieb. Mit dem Unterschied, dass sie statt des Kunstnebels in einem Club eine immense Nebelwolke zum Pulsieren brachten. Rasch näherte sie sich der Siedlung. Ein weiterer mächtiger Donnerschlag, wieder irgendwo in der Nähe. Dann ging es los. Starkregen prasselte auf die Dächer und Festern, Sturmböen heulten und schüttelten den Ahorn und die anderen Bäumchen und Pflanzen auf dem Balkon ordentlich durch, wobei ich nur mitleidig zusehen und hoffen konnte, dass sie das Inferno überlebten, das sich gerade über uns entfesselte.

Es mag 15 Minuten gedauert haben. Dann war der Spuk vorbei, jedenfalls bei uns. Hatte ich vorhin das Gefühl, jemand giesse eine Badewanne über unserer Wohnung aus, umrahmt von Dauer-Donnergrollen, war es plötzlich gespenstisch still. Die sprichwörtliche Ruhe nach dem Sturm. Ich döste weg, in der Gewissheit, dass man beim Morgengrauen viel über Schäden und im Dauereinsatz stehende Rettungskräfte lesen wird. Eine Ahnung, die sich bei Tagesanbruch bewahrheitete. Umgestürzte Bäume, überlaufende Bäche, geflutete Keller, der ÖV in Zürich wurde einstweilen eingestellt.

Rekord-Niederschläge
In Waldegg/ZH wurde laut «SRF Meteo» ein neuer Rekord aufgestellt: In nur gerade zehn Minuten wurden 31,1 Millimeter Niederschlag festgestellt, eine der grössten Regensummen, die in der Schweiz in so kurzer Zeit je gemessen wurde. Und es regnet weiter. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat am Mittag die Hochwasserwarnung für den Zürichsee auf Stufe 4 von 5 emporgehoben. Damit herrscht nun «grosse Gefahr». Gegenüber «SRF Online» prophezeit Hydrologe David Volken vom Bafu: «Von Dienstag bis Freitag kann so viel Regen fallen, wie sonst in einem ganzen Monat Juli».

Werden unsere Sommer in Zukunft so nass sein? Angesichts des äusserst nassen letzten Wochen stellt sich die Frage, ob wir uns in der Schweiz langfristig auf regnerische Sommer einstellen müssen. Nein, erklärte SRF-Meteorologe Gaudenz Flury letzte Woche auf «SRF Online». In Zusammenhang mit dem Klimawandel stehe eher die Zunahme von sogenannten Starkregen-Ereignissen. Das habe man auch bereits statistisch belegen können. Gleichzeitig prognostiziert aber Klimaforscherin Friederike Otto in der letzten «NZZ am Sonntag», dass wir uns auch in der Schweiz auf Temperaturen von bis zu 50 Grad einstellen müssen. Schwer vorstellbar zum jetzigen Zeitpunkt. Da geht es erst einmal darum, die aktuellen Wassermassen zu bewältigen, die weiter vom Himmel strömen.