Glasschwämme reagieren schneller und stärker auf klimabedingte Veränderungen als bisher angenommen. Seit im Meer um die Antarktis dicke Eispanzer an der Oberfläche fehlen, vermehren sie sich erstaunlich schnell, wie Biologen des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) in Bremerhaven berichten. Sie konnten sogar Nahrungskonkurrenten verdrängen, schreiben die Forscher um Claudio Richter vom AWI im Fachmagazin «Current Biology».

Glasschwämme gehören zu den ältesten mehrzelligen Lebewesen. Es gibt sie seit ungefähr 600 Millionen Jahren. Sie leben hauptsächlich auf dem Meeresgrund rund um die Antarktis und ernähren sich von kleinstem Plankton. Mit ihren bis zu zwei Meter grossen vasenähnlichen Körpern bieten sie gute Rückzugsmöglichkeiten für Fische und andere Meeresbewohner.

Plankton wächst und dient als Nahrung
Nach den Beobachtungen der Biologen hat sich die Zahl der Schwämme im westlichen Weddellmeer zwischen 2007 und 2011 verdreifacht – trotz Wassertemperaturen von minus 2 Grad. Nach dem Verschwinden des hunderte Meter dicken Schelfeis-Deckels spielt dabei wohl vor allem Licht eine Rolle. Plankton wächst nun in den oberen Wasserschichten und rieselt später als Nahrung zum Meeresboden herab.

Die Forscher untersuchten mit einem Unterwasserroboter den Boden in 140 Metern Tiefe. Wo früher viele Seescheiden und nur vereinzelte Glasschwämme zu sehen waren, fanden sie nun eine Art explodierte Glasschwamm-Besiedlung – und überhaupt keine Seescheiden mehr. «Die Antarktis wird produktiver, wir werden mehr Leben am Meeresboden haben», sagte Richter. Ob diese Entwicklung positiv sei, bleibe allerdings abzuwarten.

Gletschereis brach vor acht Jahren auseinander
Schelfeis ist der Fortsatz eines Gletschers, der auf dem Meer schwimmt. Das sogenannte Larsen-A-Schelfeis in der Antarktis war 1995 auseinandergebrochen – Wissenschaftler sehen darin eine Folge des Klimawandels. Bislang gingen die Forscher davon aus, dass Lebensgemeinschaften auf dem Meeresgrund der Antarktis nur sehr langsam auf klimabedingte Veränderungen reagieren. Manche dachten auch, dass grosse Glasschwämme mindestens 10'000 Jahre alt sein müssen. Jetzt ist klar, dass die Tiere in kurzer Zeit schnell wachsen können. «Es gibt starke Veränderungen und wir müssen das in den nächsten Jahren beobachten», sagte Richter.

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Die Forscher untersuchten den Meeresgrund im westlichen Wedellmeer.
(Grafik: wikipedia.org / CIA Factbook)