Es ist eine grosse Erfolgsgeschichte des Umweltschutzes: Mit dem Montreal-Protokoll von 1987 hat die Staatengemeinschaft die Emission ozonschädigender Substanzen eingeschränkt. Die Ozonschicht erholt sich langsam und das Ozonloch über der Antarktis könnte sich Schätzungen zufolge irgendwann zwischen 2046 und 2057 endgültig schliessen.  

Allerdings könnte eine bisher nicht regulierte Chemikalie namens Dichlormethan diesen Erfolg ausbremsen, und zwar um fünf bis dreissig Jahre, wie Forschende der Lancaster University mit Kollegen im Fachblatt «Nature Communications» berichten. Dichlormethan gehört zu den halogenierten Kohlenwasserstoffen und hat eine Reihe industrieller Anwendungen. Es dient als Ausgangsstoff zur Herstellung anderer Chemikalien oder auch als Lösungsmittel, beispielsweise zum Entkoffeinieren von Kaffee.  

Unterschätztes Risiko  
Anders als ozonschädigende Substanzen wie die Fluorchlorkohlenwasserstoffe wird Dichlormethan relativ schnell in der Atmosphäre abgebaut. Der Chemikalie wurde daher bisher kein wesentlicher Anteil am Abbau der Ozonschicht zugeschrieben und ihre Emission im Montreal-Protokoll nicht reglementiert.  

Seit einigen Jahren steigt jedoch ihre Konzentration in der Atmosphäre. Nimmt sie ungebremst weiter zu, wird es die Erholung der Ozonschicht um dreissig Jahre verzögern, berichten die Forschenden um Ryan Hossaini von der Lancaster University. Bleibt das heutige Niveau bestehen, liegt die Verzögerung demnach bei fünf Jahren.  

Die Studie gibt damit erstmals eine Prognose über die künftigen Auswirkungen von Dichlormethan auf die Ozonschicht. Die Modellrechnungen der Forscher beruhen auf Simulationen über globale chemische Stofftransporte, schrieb die britische Hochschule in einer Mitteilung. Ausserdem nutzten sie atmosphärische Messungen der vergangenen zwei Jahrzehnte, die von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) der USA bereitgestellt wurden.

Konzentration stieg deutlich  
«Die Zunahme an Dichlormethan in unseren Messungen sind deutlich und unerwartet», sagte Studienautor Stephen Montzka von der NOAA gemäss der Mitteilung. Die Konzentrationen seien in den späten 1990ern zwar gesunken, aber seit den frühen 2000er-Jahren wieder um den Faktor zwei gestiegen.  

Was diese Zunahme antreibe, sei unbekannt. Es könnte aber sein, dass sie mit dem vermehrten Gebrauch dieser Chemikalie als Lösungsmittel anstelle der langlebigeren Chemikalien wie den FCKW zusammenhänge.  

Die künftige Entwicklung der Dichlormethan-Konzentration in der Atmosphäre sei zwar unklar, was die Prognose unsicher mache, räumen die Forschenden ein. Ohne Reglementierung der Substanz sei es aber wahrscheinlich, dass die Konzentrationen in den Rahmen fallen werden, den sie für ihre Modellrechnungen angenommen haben.  

Weitere Beobachtung nötig  
«Wir müssen das Vorkommen dieses Gases in der Atmosphäre weiter beobachten und seine Quellen bestimmen», betonte Studienautor Martyn Chipperfield von der University of Leeds. Dies gelte auch für ähnliche Chemikalien, die ebenfalls nicht im Montreal-Protokoll reglementiert wurden.  

Die Ozonschicht dient als Schutz vor gesundheitsschädlichen UV-Strahlen und ist auch für das globale Klimasystem von Bedeutung. So hatten Berner Klimaforscher vor kurzem im Fachblatt «Environmental Research Letters» berichtet, dass das Ozonloch über dem Südpol weitreichende Effekte hat. Durch den Schaden an der Ozonschicht stieg demnach die Niederschlagsmenge im tropischen Pazifik.