Einer Studie von Forschern aus der Schweiz und aus Österreich zufolge reagieren viele Pflanzen auf die Erwärmung mit Verzögerung. 

Vor allem in hohen Lagen halten sich einige Arten noch, obwohl die Bedingungen für sie sehr ungünstig sind – sie stehen in der «Aussterbeschuld».

Für ihre im Fachmagazin «Nature Communications» erschienene Arbeit haben Wissenschaftler von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und von der Universität Wien Daten zum Auftreten von Pflanzen von mehr als 1500 Untersuchungsflächen in der Schweiz, Österreich, Italien, Slowenien und Deutschland aus den Jahren vor 1970 sowie den Jahren 2014 und 2015 analysiert.

Veränderung der Flora
Daran konnten sie ablesen, wie sich die Zusammensetzung der jeweiligen Flora verändert hat und verglichen diese Beobachtungen mit den aufgrund des Klimawandels zu theoretisch erwartenden Veränderungen.

Die Frage dahinter war, ob die Natur mit den in evolutionären Massstäben unmittelbaren Umwälzungen mithalten kann, indem beispielsweise Pflanzen, denen es in ihrem angestammten Lebensraum zu warm wird, in höhere, noch kühlere Lagen wandern. Bei vielen der 135 genauer untersuchten Gebirgspflanzen sei nämlich anzunehmen, dass ihre Biologie sie solche Höhenwanderungen nicht zeitgerecht absolvieren lässt, heisst es in einer Mitteilung der Universität Wien vom Freitag.

Einen den Temperaturen folgenden Direktaufstieg machte demnach kaum eine Pflanzen mit: «Sechzig Prozent der Arten sind noch auf Flächen zu finden, die ihnen klimatisch nicht mehr zusagen, 38 Prozent haben nicht alle Flächen besiedelt, die inzwischen ein geeignetes Klima bieten würden, und nur für sieben Prozent haben wir keine Indizien für Verzögerungen in die eine oder in die andere Richtung Beobachtet», heisst es.

Pflanzen harren aus  
Viele Arten harren also in ihren angestammten Höhenlagen auch unter widrigen Bedingungen aus. Das gehe für viele Pflanzen vermutlich nicht auf Dauer gut: «Verzögerte Anpassung bedeutet, dass wir auf der Basis heutiger Beobachtungen dazu tendieren, das volle Ausmass der Konsequenzen des Klimawandels zu unterschätzen. Problematisch ist das besonders dort, wo Populationen aufgrund der bereits heutigen klimatischen Bedingungen erst in der Zukunft, vielleicht erst in Jahrzehnten aussterben werden.»

Am tiefsten in dieser sogenannten «Aussterbeschuld» stehen demnach die an die höchsten alpinen Lagen angepassten Arten. Diesen fehlen nämlich schlichtweg die Fluchtwege in noch höhere Gefilde. Sie werden in Zukunft am ehesten auch durch den Klimawandel verschwinden, heisst es.

Ein Gutes habe die vielfach langsame Reaktion von Pflanzen jedoch auch. Je länger sie ausharren, umso grösser wird ihre Chance, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen. Gelingen könne ihnen das aber nur dann, wenn die Erwärmung endlich eingebremst werde und sie zumindest mit stabilem Klima konfrontiert wären.