Fleischersatzprodukte können zu einer nachhaltigeren und gesünderen Ernährungsweise beitragen. Doch Konsumentinnen und Konsumenten stehen neuen Lebensmitteln, die traditionelle Produkte ersetzen sollen, tendenziell skeptisch gegenüber. Und tatsächlich: Obwohl allein im Jahr 2020 rund 150 neue Fleischersatzprodukte auf den Schweizer Markt kamen, lag deren Marktanteil nur bei 2,3 Prozent.Wieso diese Zurückhaltung? Das untersuchten Forschende des Instituts für Umweltentscheidungen der ETH Zürich um die Ernährungswissenschaftlerin Christina Hartmann. Sie liessen 534 Personen aus der deutschsprachigen Schweiz zwanzig proteinreiche Lebensmittel, darunter Fleisch, Käse und verschiedene Fleischersatzprodukte, bewerten - wie umweltfreundlich, wie gesund und wie natürlich diese seien. Das Urteil verglichen die Forschenden mit Ökobilanzen und Nährwertprofilen. 

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Fleisch kommt zu gut weg

Fazit der im Fachmagazin «Food Quality and Preference» erschienenen Studie: Die Teilnehmenden bewerteten Fleischersatzprodukte keineswegs umweltfreundlicher als Fleisch - obwohl dies den Ökobilanzen zufolge meistens der Fall ist.Beispielsweise wies Rindfleisch-Entrecôte die höchste Umweltbelastung auf; diese wurde jedoch unter den Befragten stark unterschätzt. Ein Burger aus Erbsenprotein sowie eine vegetarische Wurst wurden fälschlicherweise sogar als weniger umweltfreundlich bewertet als das Entrecôte. Ebenso Huhn, Schwein und Wurst schätzten die Teilnehmenden als umweltfreundlicher ein als die meisten Fleischersatzprodukte.

Ernährungswissenschaftlerin Hartmann zeigt sich kaum erstaunt über diese Resultate: «Bereits in früheren Studien konnten wir zeigen, dass Konsumenten kaum einschätzen können, wie viele Ressourcen die Fleischproduktion tatsächlich verschlingt», sagte sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zudem sei das Bild womöglich stark von Werbebildern mit glücklichen Kühen geprägt statt von Massentierhaltung.

Unnatürlich gleich ungesund?

Weiter ging aus der Studie hervor, dass die Studienteilnehmenden die Fleischersatzprodukte nicht für die gesündere Option hielten. Sie bewerteten die Nährwertprofile aller tierischer Produkte - mit Ausnahme von Fischstäbchen und Chicken Nuggets - als gesünder als beispielsweise Tofu, Falafel und Sojahackfleisch.Aber: In den Nährwertprofilen schneiden die Produkte allesamt ähnlich gut ab. Ebenfalls bewerteten die Befragten die Fleischersatzprodukte als weniger natürlich als die tierischen Lebensmittel.«Das ist ein typisches Muster, das wir immer wieder beobachten», sagte Hartmann: «Verarbeitete Produkte, die in der Tat weniger natürlich sind, werden gleichzeitig auch für weniger gesund gehalten. Obwohl das nicht unbedingt so sein muss.» 

Fleischersatzprodukte — eine ÜbersichtTofu: Der Klassiker aus Sojabohnen. Tofu ist sehr proteinhaltig und kann durch seinen neutralen Eigengeschmack vielseitig zubereitet werden. Zerkrümelt als Fleischersatz für die Bolognese-Sausse, oder mariniert in Currys, Wok-Gerichten oder angebraten mit Gemüse. 

Tempeh: Ursprünglich aus der indonesischen Küche, hat Tempeh nun auch den Weg in unsere Küchen gefunden. Er besteht traditionell aus gedämpften und geschälten, mit Pilzkulturen fermentierten Sojabohnen. Angebraten und mariniert ist er eine wunderbare Proteinquelle zu Salaten oder in Pfannengerichten. 

Seitan: Ist nichts für Menschen mit Glutenunverträglichkeit oder Zöliakie, denn es wird aus Weizenprotein hergestellt. Mit seiner fasrigen, festen Konsistenz wird Seitan gern genutzt, um sehr ähnliche industrielle Fleischalternativen herzustellen. Seitan selber anzurühren braucht etwas Übung (siehe Video), denn das Pulver wird mit Wasser gerne sehr klebrig. 

Hülsenfrüchte: Eine tolle und sehr vielfältige Eiweissquelle. Aus Hülsenfrüchten, wie Bohnen, Kichererbsen und Erbsen kann man wunderbar Burger, Falafel oder vegane Kotbullar herstellen. Auch als Einlage in Suppen, Sossen oder Currys  eignen sich Hülsenfrüchte hervorragend. 

Sojaschnetzel: Die getrockneten Sojaschnetzel gibt es grob und fein. In Gemüseboullion eingeweicht kann man mit den groben Schnetzeln Schmorgerichte, wie Gulasch fleischlos kochen. Mit den feinen Schnetzeln sind eine tolle Alternative zu Hackfleisch. 

Extra-Tipp: Das Einweichwasser von getrockneten Shitake-Pilzen oder die getrockneten Pilze selber in den Kochtopf geben, um einen fleischigen Geschmack ins vegane oder vegetarische Essen zu bekommen. 

Label hilft wohl wenig

Der Nutri-Score, ein System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, sowie Umweltlabels auf Produkte zu drucken, um Konsumenten eine Entscheidungshilfe zu geben, sieht Hartmann kritisch - und es gebe ganz unterschiedliche Meinungen dazu in der Fachwelt. «Es ist zu bezweifeln, dass alle Konsumenten, über alle Bildungsschichten hinweg, die Kennzeichnung verstehen.» Zudem sei der Supermarkt bereits jetzt ein Label-Dschungel, der die Entscheidung nicht unbedingt leichter mache.«An Umwelt und Ernährung Interessierte informieren sich wahrscheinlich sowieso schon anderweitig über die Produkte», sagte Hartmann: «Und die anderen erreicht man wohl auch mit einem Label nicht.» So schliessen die Forschenden in ihrer Studie, dass der generell negative Eindruck gegenüber Fleischersatzprodukten im Vergleich zu richtigen Fleisch eine Herausforderung bleibe - für die Industrie, die öffentliche Gesundheit sowie im Hinblick auf eine nachhaltigere Ernährungsweise.