Wie kann man die Qualität des
Bodens verbessern? Diese Frage beschäftigt Franz Keiser schon lange. Neben der Rindermast hat der Landwirt aus Neuheim ZG deshalb bereits vor über zwanzig Jahren mit der Kompostierung ein wichtiges Standbein aufgebaut.

Schon bei der Anfahrt zu seinem Hof stechen die langen, mit Vlies bedeckten Mieten entlang der Felder ins Auge. Darin verrottet vorwiegend Baum- und Strauchschnitt aus der Gemeinde. Seit das Grüngut nicht mehr verbrannt werden darf, wurden die Mengen immer grösser und das Verhältnis zum anderen Kompostmaterial zunehmend ungünstig. Deshalb suchte Franz Keiser nach einer neue Lösung.

Vor zwölf Jahren hörte er von einer alten Technik, die ursprünglich aus Südamerika stammt: Ureinwohner im Amazonasgebiet hatten Pflanzenkohle in ihre Böden eingearbeitet, um die Fruchtbarkeit zu erhalten. In der Schweiz war es das Biowein-Institut Delinat, das im Wallis erste Versuche damit unternahm. Keiser beschloss, es ebenfalls zu probieren. Über die Firma Verora, die er 1996 mit weiteren Bauern aus der Umgebung gegründet hatte, schaffte er einen Verkohlungsofen an. 2019 erhielt er für die Innovation den mit 20 000 Franken  dotierten Agropreis, den die Emmental Versicherung jährlich vergibt.

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Durchhaltevermögen gefragt
Bis der Herstellungsprozess einwandfrei funktionierte, war es aber ein langer Weg. Viel Experimentieren, Geduld und Ausdauer waren nötig. 2015 stand die Anlage gar ein ganzes Jahr still. Die Behörden verlangten umfangreiche Unterlagen. Keisers erhielten für die ersten drei Jahre nur eine befristete Bewilligung. Erst 2016 erfolgte die definitive. Das Bundesamt für Landwirtschaft kontrolliert die Abläufe streng. Denn Kohle ist nicht gleich Kohle. Soll sie wieder in den Kreislauf der Natur gelangen, darf sie keine Giftstoffe enthalten. «Das ist ein heikler Prozess», sagt Fabian Keiser, der Sohn von Franz Keiser, der beim Besuch des Hofes krank ist. Der gelernte Sanitärmonteur ist fürs Warten und Optimieren der Anlage zuständig. Die Temperatur müsse mindestens 450 Grad betragen. Weitere Einzelheiten will er nicht öffentlich machen.

Der Hof Wies liegt auf gut 700 Metern über Meer etwas abgelegen in den Hügeln zwischen Zuger- und Zürichsee. Zwischen den Hofgebäuden türmen sich mehrere grosse Haufen mit Ästen und Stauden auf. Diese werden gehäckselt, getrocknet und danach gesiebt. Die gröberen Stücke werden in Holzschnitzelheizungen verfeuert. Durch die Abtrennung des feinen Materials entstehe beim Verbrennen weniger Feinstaub, erklärt Fabian Keiser. Und weil die getrockneten Schnitzel kaum noch Feuchtigkeit enthalten, könne man daraus etwa doppelt so viel Wärme
gewinnen wie aus herkömmlichen.
Auf einem Fliessband rattert das herausgesiebte, feine Material hinauf in den Pyrolyse-Ofen, der sie unter Ausschluss von Sauerstoff verkohlt. Es stäubt, ist aber angenehm warm im Holzschopf. Die Abwärme wird für das Heizen der Gebäude und das Trocknen der Schnitzel verwendet. Auf der anderen Seite des Ofens rieselt das schwarze Substrat ins Lagersilo und wird danach in grosse Säcke verpackt, die zum Verkauf bereitstehen.
Das schwarze, krümelige Material unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von Grillkohle, ausser, dass es feiner ist. Doch gemäss Fabian Keiser, handelt es sich um
einen wahren Alleskönner: Sein Bruder Albin, der mittlerweile den Hof führt, mischt einen Teil der Pflanzenkohle unter das Tierfutter. Sie wirkt stopfend, verbessert die Futterverwertung und bindet Giftstoffe.

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Über den Kompost auf die Felder
So habe man den Einsatz von Antibiotika deutlich reduzieren können, sagt Fabian Keiser. Auch andere Bauern in der Region, welche die Substanz ihren Milchkühen füttern, seien überzeugt vom Produkt: Die Milchqualität sei viel besser geworden. Die Zahl der Immunzellen sei kleiner, was auf weniger Entzündungen der Euter hinweist. «Bereits unser Grossvater vermörserte Kohle aus dem Kachelofen und gab sie den Kühen, wenn sie Durchfall hatten», erzählt Keiser. «Es handelt sich um uraltes Wissen, das nun neu entdeckt wird.»

Einen weiteren Teil der Pflanzenkohle geben Keisers in den Kompost oder zur Einstreu für die Tiere. Zusammen mit dem Mist kommt sie so in den Hofdünger, der ebenfalls grösstenteils kompostiert wird. Anders als die südamerikanischen Ureinwohner arbeiten Keisers jedoch keine Kohle direkt in den Boden ein. Sie gelangt über den Kompost auf die Felder. Dennoch habe man den Humus auf den ehemals schlechten Böden des Hofes Wies stetig aufbauen können, sagt Fabian Keiser. Seit 2006 sei der Anteil von drei auf fünf Prozent gestiegen. Gleichzeitig wird so der Kohlenstoff (C), den die Pflanzen aus dem Kohlendioxid (CO2) in der Luft beziehen, wieder im Boden gebunden, was sich positiv auf das Klima auswirkt.

«Eigentlich ist Kohle ein totes Material», erklärt Fabian Keiser. Doch weil sie so porös sei, könne sie die fünffache Menge Wasser des Eigengewichts speichern, Nährstoffe einlagern und Mikroben einen Lebensraum bieten – alles Eigenschaften, die sich im Boden positiv auswirken. «Wir schlagen
sozusagen vier Fliegen auf einen Streich», verdeutlicht der 30-Jährige. «Wir verwerten minderwertigen Baum- und Strauchschnitt sinnvoll. Holzheizungen werden damit sauberer. Wir betreiben Klimaschutz und verbessern die Bodenfruchtbarkeit.» Das Produkt sei deshalb bei Landwirten zunehmend gefragt.

Weitere Anlagen in Planung
Dass Pflanzenkohle zum Klimaschutz beitragen kann, bestätigt das Bundesamt für Landwirtschaft. Neben der Kohlenstoff-Speicherung soll die in den Boden eingebrachte Substanz die Lachgas-Emissionen verringern – ein Gas, das die Klimaerwärmung rund 300 Mal so stark vorantreibt wie Kohlendioxid. Gemäss einer Studie der Forschungsanstalt Agroscope könnte Pflanzenkohle zudem den Nährstoffkreislauf – speziell von Stickstoff – sowie die Wasserspeicherfähigkeit erhöhen.

Auf einem Hof im zürcherischen Flaachtal untersucht Agroscope derzeit, wie sich unter den Kompost gemischte Kohle auf den Humusgehalt des Bodens sowie das Pflanzenwachstum auswirkt. Das Produkt der zugerischen Firma Verora ist zurzeit das einzige, das als Dünger zugelassen ist. Weitere Anlagen sind jedoch in den Kantonen Zürich und Basel-Landschaft bereits geplant.