Noch schnell umrühren und fertig ist der Hörnlisalat. Kein gewöhnlicher, sondern einer mit Gurken, Mango, Paprika, Peterli – und Suppenhuhn. Siegfried W. Rossal, Koch im Restaurant Seerose in aargauischen Meisterschwanden, schwärmt vom Suppenhuhn, vom intensiven Geschmack, von der kräftigen Brühe, die sich für Suppen oder Risotti eigne. Nun hat der Koch, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit bis zu 17 Gault-Millau-Punkten dotiert war, ein Kochbuch verfasst, das lauter Suppenhuhn-Rezepte enthält.

Suppenhühner werdem mit 18 Monaten geschlachtet
Dass sich Rossal derart fürs Suppenhuhn ins Zeug legt, freut Willi Neuhauser. Auch der Eierproduzent aus Arbon TG, der zuständig ist für die Verwertung von schweizweit jährlich rund 1,7 Mio. Althennen, will das Suppenhuhn wieder salonfähig machen. Denn was früher ein Festessen war, landet heute immer seltener auf dem Teller: «Die Nachfrage nach Suppenhühnern nahm in den vergangenen 25 Jahren kontinuierlich ab», erklärte Neuhauser bei der Präsentation von Rossals Kochbuch. Die Zubereitung sei aufwändiger und beanspruche mehr Zeit als bei Poulets. Das passe nicht mehr zu den heutigen Ernährungsgewohnheiten.

Dazu kommt ein Imageproblem. Das Suppenhuhn gilt vielen Leuten als zäh. Das komme von früher, als Hühner noch Eier legten, bis sie alt waren. Heutige Legehennen hingegen würden im Alter von nur gerade 18 Monaten geschlachtet, so Neuhauser. Deren Fleisch sei gesund, der Anteil an ungesättigten Fettsäuren sei hoch.

Viele Eier statt zartes Fleisch
Dass das Suppenhuhn kaum mehr auf Anklang stösst, hat aber auch mit der Spezialisierung in der Landwirtschaft zu tun. Denn früher waren Hühner «Allrounder», deren Eier und Fleisch gleichermassen geschätzt wurden. Das ist heute anders: Durch Zucht werden die Hühner auf Hochleistung getrimmt und somit zu Spezialisten gemacht. Heute stammt Geflügelfleisch von Masthähnchen, die Futter derart gut verwerten, dass sie innert weniger Wochen das Schlachtgewicht erreichen. Sie liefern das Fleisch, das bei den Konsumenten besonders ankommt: Zart, hoher Brustanteil, kurze Garzeit. Das, was heute als Suppenhuhn bezeichnet wird, stammt hingegen von Tieren, die fürs Eierlegen gezüchtet wurden. Sie setzen wenig Fleisch an, dafür legen sie umso mehr Eier. Die Folge: Das Fleisch der Althennen wird verschmäht, während dasjenige von Poulets heiss begehrt ist.

Verschmäht von Grossmetzgereien
Erschwerend kam hinzu, dass im Frühling 2010 die beiden grössten Metzgereien der Schweiz, Micarna und Bell, das Schlachten von Suppenhühnern eingestellt haben – es sei zu unrentabel. Die Eierproduzenten nahmen deshalb selber die Verwertung ihrer Althennen in die Hand: Sie gründeten GalloCircle, eine Selbsthilfevereinigung, deren Präsident Willi Neuhauser ist. Das Ziel, möglichst viele der ausrangierten Hühner als Lebensmittel zu vermarkten, wurde zunächst allerdings deutlich verfehlt. Denn im Jahr 2010 wurden 80 Prozent der 1.7 Millionen Althennen verbrannt oder landeten in der Biogasanlage. Das sei ethisch bedenklich, findet Neuhauser.

Inzwischen sieht es wieder erfreulicher aus: Weil neue Schlachthöfe eingestiegen sind, konnten im letzten Jahr zwei Drittel der Althennen zu Lebensmitteln verarbeitet werden. Knapp eine halbe Million ging als ganze Suppenhühner über die Ladentische. 700'000 Tiere wurden zu Charcuterie-Produkten verarbeitet. Eine halbe Million Althennen landeten aber immer noch in der Biogasanlage. Dies liesse sich einfach vermeiden: Wenn nämlich jede Familie in der Schweiz ein einziges Suppenhuhn im Jahr essen würde.

 

 Kochbuch «Suppenhuhn: fast vergessen – neu entdeckt»
Von Siegfried W. Rossal, mit 50 Rezepten.
112 Seiten, 24.80 Franken.
Fona-Verlag, Lenzburg.