Sternenklare, finstere Nächte. Das findet man heutzutage nur noch auf dem Land, am besten auf entlegenen Bauernhöfen, denn wo immer sich mehrere Lichtquellen ansammeln, wird das Dunkel der Nacht getrübt. Diese sogenannte Lichtverschmutzung ist in Städten besonders gross. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radofzell haben nun untersucht, wie sich diese nächtliche Beleuchtung auf Amseln auswirkt.

Mehrere Stadtamseln wurden von den Forschern mit Lichtsensoren ausgerüstet, mit denen die Beleuchtungsstärken gemessen wurden, denen die Tiere nachts ausgesetzt sind. Die durchschnittlichen Intensitäten lagen bei 0,2 Lux, was gerade einmal einem Dreissigstel der Leuchtkraft einer Strassenlampe entspricht.

Trotzdem stellten die Wissenschaftler bedeutende Unterschiede zwischen «Stadtamseln» und «Landamseln» fest: Die Keimdrüsen der männlichen Stadtbewohner reifen schneller als ihre ländlichen Artgenossen. Ihre Hoden wachsen fast einen Monat früher, fanden die Forscher bei Tieren in Gefangenschaft heraus. Ausserdem beginnen die Vögel morgens eine Stunde eher mit ihrem Gesang, wenn in der Nacht keine völlige Dunkelheit herrscht und sind – jahreszeitlich gesehen – etwa einen Monat eher paarungsbereit.

Künstliche Jahreszeiten
Frühreife Amseln also. Ist das nun ein Vor- oder ein Nachteil für die Tiere? In der Landwirtschaft wird beispielsweise bei Hühnern in Legebatterien schon lange mit künstlichem Licht gearbeitet. Dadurch werden tageszeitliche und saisonale Rhythmen künstlich gesteuert, und die Eiproduktion kann – durch Veränderung der Tageslänge – gesteigert werden.

Bei Amseln ist ein solcher kommerzieller Nutzen nicht absehbar, aber für die Tiere selbst gilt dasselbe: «Amseln in der Stadt könnten durch das Kunstlicht früher im Jahr brüten und dadurch mehr Junge im Jahr hervorbringen», erklärt Jesko Partecke, der Leiter dieser Untersuchung. Dies wäre ein evolutionärer Vorteil, der sich allerdings ganz schnell in einen Nachteil verwandeln könnte. Denn mehr Amseln benötigen auch mehr Futter. Und wenn dieses nicht vorhanden ist, leidet die gesamte Population.