Kein Tier zu keiner Zeit, nicht einmal der grösste Dinosaurier, war wohl jemals so gross wie ein Blauwal. Die Kolosse können nämlich bis zu 30 Meter lang und über 170 Tonnen schwer werden. Damit gelten als Blauwale die grössten Tiere, die je auf diesem Planeten gelebt haben. 

Daher sollten sie ja nicht so schwer zu finden sein, könnte man denken. Verglichen mit der unglaublichen Weite der Ozeane jedoch ist auch ein Blauwal nicht viel grösser als ein Sandkorn. Und weil die Ozeane so riesig sind, müssen die Meeressäuger über grosse Distanzen kommunizieren. Ihre Gesänge sind weit herum hörbar – und das machen sich Forschende zu Nutze. So hat man bereits herausgefunden, dass jede Blauwal-Population ihren eigenen, charakteristischen Gesang hat und dass es im Indischen Ozean wohl vier solche Populationen gibt. 

Ungehört bis 2017
Ein Forschungsteam um Salvatore Cerchio vom African Aquatic Conservation Fund und New England Aquarium ist sich aber nun sicher, eine bisher unbekannte Population im nördlichen Indischen Ozean und dem Arabischen Meer entdeckt zu haben – auch dies anhand des Gesangs. 2017 nämlich hörte das Team zum ersten Mal einen vollkommen neuen und unbekannten Walgesang, aufgenommen einerseits vor Madagaskar, andererseits in der Nähe des Omans, wo er auch später noch häufig zu vernehmen war. Von seiner Entdeckung berichtet das Team im Fachjournal «Endangered Species Research».

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«Da findet man in seinen Daten einen Walgesang, der vollkommen einzigartig ist und der noch nie zuvor gemeldet wurde – und identifiziert ihn als Blauwalgesang», sagt Cerchio gemäss einer Pressemitteilung des New England Aquariums. «Über den Blauwalgesang wurde schon so viel geforscht. Dass es  da draussen eine Population gibt, von der bis 2017 niemand etwas wusste – das haut einem glatt um.» 

Die Existenz von Blauwalen im Arabischen Meer war zwar bekannt, doch wurden diese einer anderen, grösseren Population zugeordnet, die weiter östlich lebt. 

Immer noch stark bedroht
Auch die Walfänger in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wussten um die Blauwale. Wie Cerchio und seine Kolleginnen und Kollegen in ihrer Studie schreiben, hatte es vor allem die Sowjetunion in den 1960er-Jahren auf die Blauwale im Arabischen Meer abgesehen.

Überhaupt wurde der Blauwal damals fast an den Rand der Ausrottung gebracht. Die Internationale Walfangkommission schätzt, dass zwischen 1868 und 1978 382‘595 Blauwale erlegt wurden. In den 60er-Jahren war der Weltbestand auf 1000 bis 3000 Tiere zusammengeschrumpft. Erst mit dem Walfang-Moratorium von 1967 konnten sich die Bestände erholen. Heute sind sie allerdings mit 10‘000 bis 25‘000 Tieren nur noch einen Bruchteil so gross wie Anfangs des 20. Jahrhunderts. Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft den Blauwal auf ihrer Roten Liste dementsprechend immer noch als «stark gefährdet» ein. 

Auch die neue entdeckte Population brauche dringend Schutz, sind Cerchio und sein Team überzeugt. Angesichts der starken historischen Bejagung, des eher kleinen Verbreitungsgebiets und der Tatsache, dass Blauwale sich nur sehr langsam fortpflanzen, sei die Population im Arabischen Meer wohl nicht sehr gross. Die Wissenschaftler vermuten gar, dass es sich bei ihr um eine neue Unterart des Blauwals handeln könnte. Weitere Forschung sei daher nötig. Denn nur wenn man weiss, wer diese Wale sind und wo genau sie sich befinden, können entsprechende Schutzmassnahmen getroffen werden.