In den vergangenen zehn Jahren wurde bei mehreren tot oder krank aufgefundenen Steinadlern aus den Alpen eine Vergiftung durch das Schwermetall Blei diagnostiziert, wie die Schweizerische Vogelwarte Sempach und das Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden am Donnerstag mitteilten.

Die Vogelwarte und der Kanton Graubünden liessen deshalb Greifvögel aus mehreren Alpenkantonen auf Bleirückstände untersuchen. Die Tests wurden an den Instituten für Rechtsmedizin sowie Veterinärpharmakologie und -toxikologie an der Universität Zürich durchgeführt.

41 Steinadler untersucht
Die Knochen fast aller 41 untersuchten Steinadler wiesen im Vergleich zu ausländischen Studien höhere Bleiwerte auf. Bei drei Tieren liessen die hohen Bleirückstände in Blut, Nieren oder Leber auf eine akute Vergiftung schliessen, wie es in der Mitteilung heisst.

Um zu klären, woher das Blei stammt, verglichen die Forscher die aasfressenden Steinadler mit Uhus, die keine Kadaver verzehren. Bei den Uhus waren die Bleiwerte in den Knochen rund zehnmal tiefer. Die Werte entsprachen etwa jenen bei Steinböcken und Murmeltieren, die Steinadlern als Nahrung dienen.

Die Forscher vermuten, dass die hohen Bleiwerte bei den Steinadlern auf aufgenommene Jagdmunition zurückgehen. Ähnliche Forschungsergebnisse beim Kalifornischen Kondor und beim Seeadler würden die Annahme erhärten, heisst es in der Mitteilung. Die Resultate werden demnächst im «Journal of Ornithology» veröffentlicht.

Verseuchte Körperteile vergraben
Sicher sind sich die Wissenschaftler allerdings nicht. Es ist nicht auszuschliessen, dass sich im alpinen Raum auch Blei aus natürlichen Quellen in der Nahrungskette anreichert und sich in den Knochen der Tiere ablagert. Gerade im Kanton Graubünden mit seinem Dolomit-Gestein werden die Schwellenwerte für die Schwermetall-Konzentration teilweise überschritten, wie Hannes Jenny, Wildbiologe im Amt für Jagd und Fischerei des Kantons Graubünden, sagt. Die Auswirkungen der hohen Bleiwerte auf die grossen Greifvögel sollen nun weiter untersucht werden.

Um Vergiftungen zu verhindern, leiteten einige Schweizer Jagdverwaltungen bereits Massnahmen ein. So verwenden etwa die Bündner Wildhüter beim Abschuss kranker, schwacher oder verletzter Tiere seit 2013 nur noch bleifreie Munition. Und die Jagd soll nachziehen. Laut Jenny laufen europaweit Bestrebungen, auch für die grosskalibrige Jagdmunition eine gleichwertige, aber bleifreie Alternative herzustellen. 

Die Ämter rufen Jäger und Jägerinnen zudem dazu auf, mit bleihaltiger Munition verseuchte Kadaverteile zu vergraben, damit sie für Steinadler und Bartgeier unerreichbar bleiben. Für andere Aasfresser wie Füchse sind die kontaminierten Knochenteile ungefährlich, wie Jenny auf Rückfrage der «Tierwelt» sagt: «Greifvögel haben eine extreme Magensäure, die Knochen zu verdauen vermag.» Bei Füchsen – oder auch Eulen – bleibe das Skelett der Beute intakt. Das giftige Schwermetall wird also mit dem Tierknochen wieder ausgeschieden.