Spinnen
Pisaura mirabilis hat viele Namen: Listspinne ist einer, Brautgeschenkspinne ein anderer. Und solche Namen versprechen spannende Geschichten. Eine von ihnen beinhaltet das Totstellen. Will sich nämlich ein Männchen dieser Spinne paaren, muss es mit List vorgehen und ein Brautgeschenk bereithalten – zum Beispiel eine tote Fliege, in Spinnenseide eingewickelt. Um nun sicherzustellen, dass die Mühe nicht umsonst ist, spannt das Männchen einen Faden an sein Geschenk und stellt sich tot. Zerrt das Weibchen das Päckchen nun weg, kommt der Spinnenmann automatisch mit. Macht sich die Spinnenbraut ans Hochzeitsmahl, erwacht ihr Bräutigam und beginnt, sie zu begatten. Passt ihr das nicht, hört sie auf zu fressen – und das Männchen stellt sich blitzschnell wieder tot, um nicht selber zum Opfer seiner hungrigen Braut zu werden. So geht das oft mehrfach hin und her, bis sie schliesslich satt – und begattet – ist.

Opossums
Viele Säugetiere stellen sich tot, um von Räubern in Ruhe gelassen zu werden, aber nur eines hat sich dadurch in einer Redewendung verewigt: «play possum» sagen die US-Amerikaner, wenn sie sich tot stellen oder einfach tun, als wären sie nicht zu Hause und nicht ans Telefon gehen. Tatsächlich braucht es beim einzigen Beutelsäuger Nordamerikas nicht viel, bis er in Regungslosigkeit erstarrt. Dabei streckt das Tier die Zunge raus, legt sich auf die Seite, halbiert seine Herzfrequenz und lässt einen stinkenden, grünen Schleim aus dem Hinterteil rinnen. Dieser vertreibt nicht nur Raubtiere, sondern zuweilen auch amerikanische Teenager, die das Tierchen zum Scherz zur Ohnmacht treiben. 

Das Opossum hat Angst und stellt sich tot. Warum die beiden Filmer das verängstigte Tierchen nicht einfach in Ruhe lassen, erklären sie nicht:

[EXT 1]

Schlangen
Die Westliche Hakennasennatter (Heterodon nasicus) kennt eine ganze Menge Strategien, sich gegen Räuber zu wehren. Zuerst spreizt sie ihren Hals in die Breite, um grösser zu wirken, dann lässt sie ihren Kopf zu Scheinangriffen nach vorne schnellen. Beeindruckt das alles den Feind nicht, stellt sie sich tot. Und zwar nicht einfach so. Sie windet sich in einem gespielten Todeskampf, verknotet sich selbst, lässt dazu Äderchen platzen, damit es auch schön blutig aussieht und – ganz wichtig – stösst ein verwesend riechendes Sekret aus. Auf den potenziellen Räuber muss diese Show abstossend wirken; meist wird die Schlange danach in Ruhe gelassen. Das Risiko, verdorbene Beute zu fressen, ist zu gross.

Oscarreif: Die Westliche Hakennasennatter inszeniert den eigenen Tod:

[EXT 2]

Menschen
Es mag nicht in der Natur des Menschen liegen, sich tot zu stellen. Schliesslich ist er ein Raubtier, und meistens steht er auch ganz oben in der Nahrungskette. Trifft er aber mal unbewaffnet auf einen anderen Räuber, etwa einen ausgewachsenen und hungrigen Braunbären, hat er schlechte Karten. Während in der Schweiz kaum jemand in diese Situation kommt, ist sie in den USA und Kanada nicht so selten, und der Ratschlag heisst oft: tot stellen. Das ist sicher die bessere Strategie als wegrennen; manch ein Bär hat Camper so verschont, weil er sie nicht als Bedrohung wahrnahm. Totstellen war aber auch schon kontraproduktiv, wie vor einem Jahr, als ein Grizzly in Alaska eine Wanderin gebissen und gekratzt hat, während sie sich totstellte. Der Nationalpark gab daraufhin die Weisung heraus, man solle sich nicht vorzeitig tot stellen, denn «das kann den Bären neugierig machen».

Hunde
«Peng» macht das Frauchen und hält Zeige- und Mittelfinger in Richtung ihres Vierbeiners. Der Hund lässt sich auf den Rücken rollen und macht – zumindest, wenn er gut trainiert ist – keinen Wank mehr. Danach gibt es natürlich ein Leckerli für den Liebling, der das schon im Voraus wusste; ansonsten würde er sich kaum für Frauchen tot stellen. Denn was hier ein Spiel ist, ist auch in den Instinkten des Hundes verankert – dort allerdings zu einem ganz anderen Zweck. So werden «Prügelknaben» in Hunderudeln immer wieder beim Totstellen beobachtet. Vermutet wird, dass die meist unsicheren und ängstlichen Tiere so von den anderen Hunden in Ruhe gelassen werden. 

Hunde und andere Tiere stellen sich auf Kommando tot:

[EXT 3]

Unken
Wie die meisten Amphibien fühlen sich Unken im Wasser viel wohler als an Land. Sitzen sie im Tümpel, können sie blitzschnell vor Feinden untertauchen und sich verstecken. An Land klappt das weniger gut, also stellen sie sich tot. Unkenreflex oder Kahnstellung heisst diese Schreckstellung, bei der die Tiere ihre Gliedmassen unnatürlich verdrehen und von sich strecken und dabei das hohle Kreuz so stark durchdrücken, dass ihre Vorderseite sogar dann sichtbar ist, wenn sie auf dem Bauch liegen. Besonders die Rot- und Gelbbauchunken wirken dabei mit ihrem signalfarbenen Bauch auf Räuber giftig – oder zumindest ungeniessbar.

Fische
Nicht zum Schutz, sondern zur Jagd stellen sich Buntbarsche der Gattung Nimbochromis tot. Die Fische leben ausschliesslich im ostafrikanischen Malawisee und tragen in der dortigen Amtssprache Chichewa den Namen «Kaligono», übersetzt: Schläfer. Um an Nahrung zu kommen, legen sich die Buntbarsche regungslos seitwärts auf den Seeboden und warten auf Beute. Mit ihrem leuchtend farbigen Wolkenmuster wollen sie sich nicht tarnen, sondern vielmehr auf sich aufmerksam machen. Sie sehen für die Mbunas – andere Buntbarsche, von denen sich die Räuber ernähren – aus wie verwesendes Aas. Ein Leckerbissen, sagt sich das Opfer und findet sich in Nullkommanichts im Maul des emporschnellenden Nimbochromis-Buntbarschs wieder.

Buntbarsch auf der Jagd – er stellt sich tot:

[EXT 4]