Eigentlich wollte der Biologe René Güttinger im St. Galler Rheintal nur neue Winterquartiere für Fledermäuse schaffen. Doch dann stiess er auf ein Tier, das er nie zuvor gesichtet hatte: eine Höhlenschrecke. Er machte Fotos und schickte sie an Hannes Baur, Heuschreckenspezialist am Naturhistorischen Museum Bern. Und dieser wusste sofort, worum es sich dabei handelt: Krauss' Höhlenschrecke, die in der Schweiz noch nie gesehen wurde.

Bisher wurde die Höhlenschrecke also hierzulande stets übersehen. Dazu passt ihr wissenschaftlicher Name, Troglophilus neglectus, der «vernachlässigte Höhlenfreund». Es wäre aber auch kaum jemand auf die Idee gekommen, das Tier in einem alten Militärstollen aus dem Zweiten Weltkrieg, in der Nähe von Wartau, zu suchen, denn die Schrecke gehört hier eigentlich gar nicht hin.

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Die Burg Wartau. Bild: Mayert/wikimedia.org

Im Balkan zu Hause. Aber nicht nur.
Das Hauptverbreitungsgebiet der Höhlenschreckenart ist laut der soeben im Fachjournal «Mitteilungen der schweizerischen Entomologischen Gesellschaft» veröffentlichten Studie der gesamte Balkanraum. Nördlich der Alpen sei das Insekt erst an vier weit verstreuten Fundorten in Deutschland und Tschechien entdeckt worden. Vermutlich, davon ging die Fachwelt bisher aus, eingeschleppte Populationen.

Dem widersprechen Baur und Güttinger: «Die Fundstelle liegt an keiner Transportroute. Auch ist es unwahrscheinlich, dass diese seltene Art als Haustier gehalten wurde.» Ausserdem sei das Klima passend und auch die Kalkstein-Formationen im St. Galler Rheintal ähnelten dem Lebensraum der Höhlenschrecken im Balkan.

Die Höhlenschrecken-Entdecker gehen davon aus, dass Troglophilus neglectus schon seit Jahrtausenden in der Schweiz zu Hause ist und sich hier entwickelt hat. Bisher wurde sie vermutlich halt einfach ... vernachlässigt.