Jessica Purcell von der Universität Lausanne hat viel Zeit im Wallis verbracht. Nicht mit Skifahren oder Fendant-Trinken, sondern mit Ameisen-Sammeln. Am Ufer der Rhone hat sie Arbeiter, Brut und Königinnen der Ameisenart Formica selysi gesammelt und sie in ihr Labor in Lausanne gebracht.

Dort wurden die Ameisen von Purcell und ihrem Team in eine bedrohliche Lage gebracht, die sie von zu Hause nur zu gut kennen: Die künstliche «Rhone» im Labor wurde überschwemmt, wie dies auch in der Natur immer wieder geschieht. Die Forscher wollten genau beobachten, welche Strategie die Ameisen anwenden, um die Flut möglichst schadlos zu überstehen. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachjournal «PLOS One» veröffentlicht.

Aus früheren Beobachtungen wusste Purcell bereits, dass die Ameisen eine Art Floss bauen würden. Ein Floss aus sich selbst: Sie verhaken sich ineinander und treiben so zusammengehängt durchs Wasser. «Wir haben erwartet, dass sich einige der Ameisen für die Brut und ihre Königin opfern und ertrinken würden», sagt Purcell. Doch die Forscher wurden überrascht.

Die Kleinsten zuunterst
Anstatt sich ganz in den Dienst ihrer Kolonie zu stellen und sich für Königin und Brut zu opfern, bauten die Arbeiter-Ameisen ein Floss rund um die Brut. Die Kleinsten, Larven und Puppen, also zuunterst. Denn diese haben den grössten Auftrieb im Wasser. Die Ameisenbabys werden also als Bojen verwendet. Darüber kam eine Schicht Arbeiter und – in der von allen Seiten geschützten Mitte – die Königin.

Nun war es aber nicht etwa so, dass die Ameisenarbeiter ihre «Bojen» in den Tod geschickt haben, um selber zu überleben. Die tragende Brut konnte selbst lange Zeit unter Wasser überleben. Die Strategie minimiert die Anzahl der Toten oder verletzten Ameisen innerhalb der Kolonie.

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Ameisen bauen ein Floss mit ihrer Brut als «Bojen». Video: Jessica Purcell/Vimeo

Studie:
Purcell J, Avril A, Jaffuel G, Bates S, Chapuisat M (2014) Ant Brood Function as Life Preservers during Floods. PLoS ONE 9(2): e89211.
doi:10.1371/journal.pone.0089211