Als Anfang des 20. Jahrhunderts in der Schweiz viele Feuchtgebiete trockengelegt wurden, brach der Kiebitzbestand auf etwa 100 Brutpaare ein. In den Siebzigerjahren gab es eine Scheinblüte mit 1000 Paaren, doch ihre Zahl sank und sank, bis im Jahr 2007 wieder nur noch 100 Paare gezählt wurden. In ganz Europa zeigt sich derselbe Trend.

«Lange wusste man nicht genau, was der Grund für die Abnahme war», erklärt Petra Horch von der Abteilung «Förderung der Vogelwelt» der Vogelwarte Sempach. Also begann die Vogelwarte im Jahr 2005 ein Forschungsprojekt in der Wauwiler Ebene (LU), wo damals nur noch 12 Kiebitzpaare brüteten.

Zu viele Küken sterben
Das Projekt zeigte auf, dass eine fatale Mischung aus Lebensraumverlust, Fressfeinden und Bewirtschaftung zu viele Kiebitz-Küken das Leben kostete. Häufige Bodenbearbeitung, Düngung oder frühes und häufiges Mähen töteten die Jungtiere oder vernichteten ihre Nahrungsgrundlage - zusätzlich zu den Gefahren durch Raubtiere und das Wetter.

Weniger als 0,8 Küken pro Paar überlebten die Brutsaison - zu wenig, um den Bestand zu erhalten. Also stellten die Forscher ab 2006 um die Brutgebiete Elektrozäune auf, wie sie in der Schaf- und Ziegenhaltung gebräuchlich sind. Die Erfolgskontrolle zeigte, dass diese Massnahme hilft: Die Küken in der Wauwiler Ebene überlebten, wenn sie auch nachts innerhalb der Zäune blieben. Ausserhalb starben 73 Prozent der Jungen.

Heute betreiben Vogelschützer vielerorts einen enormen Aufwand, um die Kiebitze zu schützen, wie der Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz in seinem Magazin «Ornis» schreibt: Anfang März, wenn die Vögel aus dem Mittelmeerraum zurückkehren, beobachten Freiwillige mit Feldstechern, wo sich Paare zum Brüten niederlassen.

Brüten auf Äckern
Das Problem: Zwei Drittel aller Kiebitzpaare der Schweiz tun dies im Landwirtschaftsgebiet. Also umzäunen die Freiwilligen das Areal. Wenn der Bauer aufs Feld fährt, bauen sie den Zaun ab und stellen ihn vor der Nacht wieder auf - und das von April bis etwa Ende Juli, bis die Küken flügge sind. Damit der Bauer die Nester umfahren kann, werden sie mit Stecken markiert.

Diese Mühsal lohnt sich: Seit 2007 brüten jährlich zwischen 88 und 147 Brutpaare an total 51 Standorten in der Schweiz. Und es gibt Anzeichen für eine Zunahme in den letzten 5 Jahren. In der Wauwiler Ebene brüteten dieses Jahr 56 Paare.

Inzwischen gibt es etliche lokale Förderprojekte, von denen jedes seinen eigenen Weg geht. In der Wauwiler Ebene stimmten betroffene Bauern zu, die Aussaat von Mais hinauszuzögern, bis die jungen Kiebitze ausser Gefahr waren, oder Brachen anzulegen, die nicht bewirtschaftet werden müssen. Anderswo kehrten die Kiebitze zurück, sobald Hochlandrinder in Naturschutzgebieten das hohe Gras niedrig hielten.

Bauern wenig entschädigt
Die Bauern verlieren durch spätere Aussaat oder brach liegende Felder an Einkommen. «Dennoch hat die Mehrheit ein offenes Ohr für die Kiebitze», sagt Raffael Ayé vom SVS/BirdLife Schweiz. Das Problem: Auch wenn bestimmte Beiträge des Bundes - etwa für Brachen - recht hoch sind, ist es für einen Bauern unter Umständen betrieblich nicht interessant, auf den Anbau beispielsweise von Futtermais für sein Vieh zu verzichten.

Dies sei ein Dilemma, findet Petra Horch, denn «Kiebitze kann man nur in Zusammenarbeit mit den Bauern fördern». Dabei profitieren von den Massnahmen, die den Kiebitzen helfen, nebenbei auch viele andere Tiere und Pflanzen, die auf feuchten Wiesen und Äckern leben. Deshalb urteilt der Raffael Ayé: «Um diese Lebensräume zu erhalten, müssten mehr Gelder von der öffentlichen Hand zur Verfügung stehen.»