Die linke Seite des Rosenbrust-Kernknackers schaut aus wie ein Weibchen, die rechte wie ein Männchen – passend zur Jahreszeit im Schlichtkleid. Und der Vogel schaut nicht nur aus wie Männchen und Weibchen in einem Tier. Er ist es tatsächlich auch.

Gynandromorphismus nennt sich das seltene, aber mit einer gewissen Regelmässigkeit in der Natur auftretende Phänomen. Es entsteht in der Embryonalentwicklung durch eine Reihe von Fehlern: Zum einen durch einen Fehler in der Eizellenbildung im Weibchen, aus dem eine falsche Verteilung der Geschlechtschromosomen resultiert. Zum andern wird diese fehlerhafte Eizelle von den Spermien des Männchens auch noch doppelt befruchtet. Die Details dazu haben wir hier bereits ausführlich beschrieben.

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Häufiger bei Kardinälen?
Der gynandromorphe Rosenbrust-Kernknacker wurde vom Team einer Berinungungsstation des Carnegie Museum of Natural History im US-Bundesstaat Pennsylvania eingefangen. Wie die Managerin des Beringungsprogramms in einer Mitteilung des Museums sagt, sei das ganze Team über die Entdeckung vollkommen aus dem Häuschen gewesen. «Manche verglichen es mit der Sichtung eines Einhorns. Andere erlebten einen regelrechten Adrenalinrausch.»

Der Rosenbrust-Kernknacker gehört zu der in Nord- und Südamerika heimischen Familie der Kardinäle, wie auch der gynandromorphe Rotkardinal, der letztes Jahr für Aufsehen sorgte. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass Gynandromorphismus bei Kardinälen besonders häufig vorkommt – obwohl es nicht auszuschliessen ist. Es könnte aber auch sein, dass die Anomalie aufgrund der grossen Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen bei Kardinälen besonders auffällt und darum häufiger entdeckt wird.