Wir mussten uns etwas einfallen lassen.» Stolz präsentiert Rudolf Brenn­eisen seine Erfindung: eine Maschine, die alle 15 Minuten an einer Schnur zieht und so die Flügel eines künstlichen Uhus bewegt, der hoch oben in in einer Platane am Muristalden im Berner Ostquartier sitzt.

Die Uhu-Attrappe ist Teil eines Versuches, der Ausbreitung der Saatkrähen in der Stadt Bern Herr zu werden. Drei solche Attrappen haben die Stadtbehörden im Januar in Baumkronen gesetzt, mit der Idee, dass die Anwohner in regelmässigen Abständen die Flügel der Uhu-Attrappen mittels Schnüren wie einen Hampelmann bewegen. Von Weitem sehen die Plastik-Uhus täuschend echt aus. Echt genug jedenfalls, um mit ihrem Geflatter die Saatkrähen zu verscheuchen.

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 Rudolf Brenneisen und seine Maschine
 Bild: Monica Biondo

Doch für Rudolf Brenneisen war die Attrappe nicht ausgereift: «Es war schlicht nicht praktikabel, immer zu unterschiedlichen Zeiten an einer Schnur zu ziehen und dabei sicherzugehen, dass die Saatkrähen einen nicht sehen», sagt er. Ein Raddeckel, der Scheibenwischermotor eines Abbruch-Simca-Autos, ein Timer aus der Tierhandlung und ein Netzgerät, um den Strom via Verlängerungskabel von 220 auf 12 Volt zu reduzieren. Dazu ein paar Abende im Keller. So hat der Tüftler eine Maschine gebastelt, die alle 15 Minuten an der Uhu-Schnur zieht.

Das erste Saatkrähenpaar, das 1963 in der Schweiz brütete, galt als Sensation. Denn im 19. Jahrhundert waren die Saatkrähen in Europa vielerorts ausgerottet. Dank rigorosem Schutz hat die Art viele Gebiete wieder besiedelt. Von Frankreich her auch die Schweiz. «Heute bauen Saatkrähen ihre Kolonien mit Vorliebe in der Stadt», erklärt Toni Fankhauser, Saatkrähenspezialist und Berater der Stadt Bern. «Nicht nur, weil hier noch hohe, ausladende Bäume stehen, sondern weil die Stadtgeräusche ihren Brutlärm kaschieren. Die klugen Vögel wissen, dass sie am Wald-rand Jägern und anderen Feinden auffallen.» Heute zählt allein Bern über 700 Nester. Und so sind die Vögel mit ihren krächzenden Lauten und ihrem Kot für einige Bewohner zur Plage geworden.

Drei Attrappen bringen schon viel
«Jahr für Jahr unternahm die Stadt erfolglose Störaktionen: Mit Laser, oder durch Abdecken der Nester mit Plexiglas», sagt Sabine Tschäppeler von der Fachstelle Natur und Ökologie. Die Berner Stadtbehörden waren drauf und dran, Abschüsse zu erwägen. Dann erfuhren sie von den Erfolgen in Bad Krotzingen. Seit Jahren setzt die kleine Stadt im Südschwarzwald auf künstliche Uhus gegen die Saatkrähen.

Uhu-Attrappen müssen vor der Brutsaison befestigt werden. So entdeckt die Späher-Krähe den «Uhu» gleich, wenn sie frühmorgens die Brutbäume nach möglichen Feinden absucht, und warnt ihre Artgenossen.

Die Versuche mit dieser Methode stimmen Tschäppeler hoffnungsvoll. «Bloss drei Attrappen mildern die Situation schon deutlich», freut sich die Biologin. «20 Meter um einen Baum mit Uhu hat sich keine Saatkrähe mehr niedergelassen.» Um ganze Quartiere «krähenfrei» zu bekommen, brauche es aber wohl mehr Uhus: «Vielleicht so viele wie in Bad Krotzingen, wo auf jeder zweiten Platane einer sitzt – und weitere Vorkehrungen.»

Auch Toni Fankhauser ist zufrieden. Lächelnd blickt er mit einem Fernglas in die Baumkronen. «Der Uhu hat die Saatkrähen verscheucht», sagt er. «Die Vögel haben sich andere Bäume zum Brüten ausgesucht.» Es sei ruhiger geworden. «Die Platane, auf der ich noch im Vorjahr ein halbes Dutzend Nester zählte, ist leer.»

Entsprechend froh sind die Anwohner. «Wollten wir früher aus dem Haus, mussten wir zum Schutz vor Krähenkot einen Schirm aufspannen», sagt Rudolf Brenneisen, der Erbauer des Uhu-Flatter-Apparats. Heute sei das zum Glück kein Problem mehr. Der Mann in schwarzen Hosen und Harley-Davidson-Hemd blinzelt humorvoll. «Wir können nun im Quartier wieder in Ruhe ein paar Worte miteinander austauschen.»