Vor rund einem Jahr hat die «Tierwelt» über die Vorzüge von Drohnen berichtet. Die ferngesteuerten Fluggeräte sind im Vormarsch und helfen Wissenschaftlern dabei, Nashornherden vor Wilderern zu schützen, und modernen Bauern, ihre Schafherden zu überwachen (siehe «Tierwelt» Nr. 3/2015). Sie werden nach und nach zum unentbehrlichen Hilfsmittel für den Tier- und Artenschutz. Doch nun, da Drohnen für jedermann erschwinglich sind, stellt sich die Frage nach den Risiken.

Biologe Michael Schaad ist Mediensprecher der Vogelwarte Sempach. Auch er sieht mögliche Vorteile von Drohnen für den Vogelschutz: «Wenn wir mehr über den Bruterfolg einer Art wissen möchten, müssen wir die Vögel so wenig wie möglich stören.» Drohnen seien da in der Regel diskreter als ein Mensch. Die Vogelwarte kann sich deshalb laut Schaad vorstellen, künftig mit Drohnen zu arbeiten, wo es sinnvoll ist. «Bei schlecht zugänglichen, grossen Schutzgebieten könnten Drohnen für Tierzählungen wichtig werden.» 

Wer im Internet nach Videos von Drohnenaufnahmen stöbert, findet Zigtausende von beeindruckenden Szenen. Der grösste Teil davon stammt weder von Wissenschaftlern noch von Vogelschützern, sondern von Hobbypiloten. Und die kennen auf der Suche nach den besten Aufnahmen kaum Grenzen. Sie steuern ihre Drohnen möglichst nahe an fliegende Vögel heran und riskieren damit gerne ihr Fluggerät, wenn sie dafür den Angriff eines Greifvogels aus nächster Nähe miterleben. So entstehen Videos mit Titeln wie «Hawk at­tacks drone» oder «Eagle kills drone», die auf Youtube Hunderttausende Klicks erhalten.

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Sichtbare und unsichtbare Einflüsse
Michael Schaad kennt diese Videos. «Greifvögel verteidigen ihr Nest und ihre Jungen», sagt er. «Das mag ja lustig aussehen, aber es ist für den Vogel sehr anstrengend.» Werde ein Vogel immer wieder durch solche fliegenden Voyeure belästigt, sei dies problematisch. «Langfristig kann sich der Bruterfolg verschlechtern.» Oder ein Nesträuber könne davon profitieren, dass der Adler oder Falke ständig damit beschäftigt sei, den mechanischen Eindringling abzuwehren. Und Schaad ergänzt: «Man muss auch damit rechnen, dass gestörte Vögel ihr Brutgebiet verlassen.»

Um dies zu verhindern, versucht die Vogelwarte herauszufinden, wie schädlich Drohnen für Vögel und andere Tiere tatsächlich sind. Dazu ist derzeit eine Studie in Entstehung, deren Entwurf der «Tierwelt» vorliegt. «Wir wollen herausfinden, wie wir in der Schweiz mit dem Thema umzugehen haben», sagt Schaad. Dafür hat ein Forscherteam bisherige Studien zusammengetragen, aber auch Internetvideos analysiert. Schaad, der an der Studie mitgearbeitet hat, fasst zusammen: «Drohnen können Einflüsse haben, die man sieht, aber auch solche, die gegen aussen unsichtbar sind.» Er spricht etwa eine Studie in Nordamerika an, wo besenderte Schwarzbären zu Forschungszwecken von Drohnen überflogen wurden. Sie reagierten äusserlich kaum, ihr Herzschlag stieg jedoch stark an. 

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Bisherige Studien mit Vögeln zeigten sehr unterschiedliche Reaktionen. Einige griffen die Drohnen an, andere flüchteten rasch, bei dritten wiederum konnte sich eine Drohne bis auf wenige Meter nähern, ohne eine Fluchtreaktion auszulösen. Eine allgemeine Aussage für die Vögel in der Schweiz ist somit nicht möglich. Für die Vogelwarte heisst das wohl, dass sie selbst nicht um eigene Drohnen-Studien herumkommen wird. «Wenn ich regelmässig einem Greifvogel in den Horst schauen will, lohnt es sich, die entsprechende Art separat zu untersuchen», sagt Michael Schaad. Doch er ergänzt: «Man darf aber nicht der Versuchung erliegen, den Einsatz von Drohnen massiv auszudehnen, nur weil dadurch die Nestinspektion einfacher wird.» 

Man kann laut Schaad auch Empfehlungen abgeben, ohne die Auswirkungen auf jede einzelne Art zu kennen.» So plant die Vogelwarte neben ihrer Studie auch ein Merkblatt für die Bevölkerung zu verfassen, das aufklärt, was man mit einer Drohne bleiben lassen sollte. Gesetze kann die Vogelwarte ohnehin nicht verfassen. Das ist Aufgabe des Bundes. Und für Drohnenpiloten ist die Rechtslage nicht ganz übersichtlich. So ist in einer Verordnung «über Luftfahrzeuge besonderer Kategorien» festgehalten, was Drohnen dürfen und was nicht. Darin steht aber die Sicherheit für den Menschen im Vordergrund. So darf etwa nicht in der Nähe von Flugplätzen oder über Menschenansammlungen geflogen werden. Ausserdem muss der Pilot ständig Augenkontakt zu seiner Drohne haben.

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Braucht es bald eine Lizenz?
Schutz für Tiere bieten andere Dokumente. So ist es verboten, in eidgenössischen Jagdbanngebieten und in Wasser- und Zugvogelreservaten Drohnen fliegen zu lassen, wie zwei separate Verordnungen vorgeben. Zudem können die Kantone zusätzliche Flugverbote erlassen. Wer seine Drohne also fliegen lassen will, müsste sich eigentlich erst durch einen ziemlichen Aktenberg kämpfen, der so unübersichtlich ist, dass ihn nicht einmal Dominik Jenzer überblickt. Der Präsident des Schweizerischen Verbands ziviler Drohnen (SVZD) erfuhr erst im Gespräch mit der «Tierwelt» von den Flugverboten in Jagdbanngebieten. «Wir wollen den Piloten nicht erzählen, wo sie fliegen sollen, sondern wie», sagt er.

Der SVZD soll in erster Linie Drohnenprofis ansprechen, keine Amateure. «Der Trend wird abflachen», sagt er, «irgendwann werden nur die Gewerblichen übrig bleiben und die Hobbypiloten integrieren sich im Modellflug.» Bis dahin aber steigen die Zahlen noch. Und die Amateure sind es auch, die Jenzer Kopfzerbrechen bereiten. «Wenn sich diese Kaufhaus-Piloten nicht benehmen, leidet der Verband», sagt er. Deshalb ist er dafür, eine Lizenz einzuführen, damit Drohnenpiloten nachweisen können, welche Qualifikationen sie haben. «Dann könnte man sich ausweisen, wenn Jogger fragen, was man da macht.» 

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In Bezug auf Tiere gibt Jenzer seinen Verbandskollegen nur grobe Empfehlungen. «Wir sagen unseren Mitgliedern, sie sollen nicht näher als 50 Meter an Tiere ranfliegen», sagt er. Er selbst war auch schon in der Situation, dass sich ein Greifvogel seiner Drohne näherte. «Ich persönlich gehe dann woanders hin. Genauso, wenn ich landen will und Spaziergänger mit Hunden kommen.» Schliesslich seien Profi-Drohnen wie die seinigen mehrere Tausend Franken wert. «Die will ich nicht abstürzen lassen.»

Der Schweizerische Nationalpark unterliegt übrigens den oben angesprochenen Gesetzen nicht, er hat eine eigene Nationalpark­ordnung. In dieser sind Drohnenflüge faktisch nicht verboten. In der Praxis jedoch schon, wie Kommunikationsleiter Hans Lozza sagt: «Wir sind der Meinung, dass die heutige gesetzliche Grundlage genügt.» Gemäss der Nationalparkordnung ist es nämlich unter anderem verboten, «Tiere jeder Art durch Lärmen zu beunruhigen». Dieses Verbot greift laut Lozza auch für Drohnen. Das müssen die Hobbypiloten aber erst einmal selber wissen. «Wir hatten schon solche Fälle», erzählt Lozza, «aber die Parkwächter konnten bisher jeweils verhindern, dass die Drohnen überhaupt in die Luft gingen.»