Wer auf dem kleinen regionalen Flughafen in der Nähe Tabacos landet, ist froh, dass wenigstens auf der Landebahn keine Palmen stehen. Die Kleinstadt, eine knappe Flugstunde südöstlich der philippinischen Hauptstadt Manila am Golf von Lagonoy, liegt in einer tropisch feuchten Klimazone. Und dank der fruchtbaren Vulkan­erde – über Tabaco thront der aktive Vulkan Mayon – gedeiht hier alles in rauen Mengen. 

Doch nicht nur Reis, Gemüse und Früchte sind ein fester Bestandteil jeder Mahlzeit der hiesigen Einwohner, sondern auch Fisch. Der Golf von Lagonoy bedeckt eine Fläche von 3700 Quadratkilometer (zehn Mal die Grösse des Genfersees) und ist bis zu 1200 Meter tief. Das Gebiet zählt zu einem wichtigen Laichgrund für Gelbflossen-Thunfische. Den besten Thunfisch findet man allerdings nicht auf dem lokalen Fischmarkt im Stadtzentrum. Gelbflossen-Thunfisch mit Klasse-A-Qualität wird direkt ins Ausland exportiert. Im Fall von Lagonoy Golf in die Schweiz!

Seit 2011 unterstützen Coop und der Fleischwarenhersteller Bell, an dem Coop die Aktienmehrheit hält, auf den Philippinen ein WWF-Programm, das den Thunfischbestand langfristig sichern und umweltschonende Fangmethoden etablieren soll. Mehr als 5000 lokale Fischer an zwei Standorten (Golf von Lagonoy und Mindoro-Strasse) sind involviert und fangen den Gelbflossen-Thunfisch nachhaltig. Das heisst: auf traditionelle Weise von einem einfachen Holzboot aus mit Angelleinen. 

Geliebt und gejagt
Die Thunfische gehören zu den beliebtesten Speisefischen. Ob als Sushi verwendet oder in Konservendosen verpackt: Die Nachfrage nimmt stetig zu. Laut Greenpeace sind über 80 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände erschöpft. Ursachen dafür sind nicht nur die Überfischung, sondern auch Beifang und der Klimawandel. Von den acht Thunfischarten gelten zwei als vom Aussterben bedroht: der Atlantische und der Südliche Blauflossen-Thun. Die restlichen Arten, etwa der Gelbflossen-Thunfisch, wurden nur als «nahe an der Gefährdung» eingestuft. Thunfische sind Wanderfische, die bis zu 160 Kilometer pro Tag zurücklegen und Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 75 Kilometer pro Stunde erreichen. Sie leben in kleineren Gruppen und ernähren sich von kleineren Schwarmfischen. Gelbflossen-Thun wird entweder als Frischfisch konsumiert oder für Dosenprodukte verwendet. Ein Gelbflossen-Thunfisch kann bis zu 9 Jahre alt, 2,4 Meter lang und 200 Kilo schwer werden. Das Alter eines Thunfisches ist, ähnlich wie bei einem Baum, an den Jahresringen im Querschnitt seiner Rückenwirbel ablesbar.

Tonnenweise Beifang muss sterben
Die Fischer arbeiten dabei mit vier Leinen, versehen mit Haken und Ködern, die sie in Tiefen bis zu 150 Metern hinablassen. Für den Fang wird ein Rundhaken eingesetzt, der andere Meerestiere wie Schildkröten nicht verletzt. Jeder Thunfisch wird einzeln aus dem Wasser gezogen. Tiere mit einem Gewicht von weniger als 20 Kilo werden freigelassen, denn es könnten Jungtiere sein, die noch nicht gelaicht haben. Beifang gibt es im Gegensatz zur industriellen Fischerei kaum. Bei der industriellen Fischerei, welche mit Langleinen mit Tausenden von Haken und riesigen Netzen (sogenannten Ringwaden) arbeitet, werden mit den Thunfischen tonnenweise Jungfische, Seevögel, Haie und Schildkröten gefangen und getötet. 

Das WWF-Projekt verfolgt ein klares Ziel: Bis 2017 soll es mit dem Marine Stewardship Council (MSC) zertifiziert sein – ein Gütesiegel für nachhaltigen Fischfang. «Die Fischgründe sollen geschützt, der Thunfisch nachhaltig gefangen, aber auch die Position der Fischer gestärkt werden», erklärt die WWF- Projektkoordinatorin Joann Binondo. «Die Fischer haben ihre Boote registriert, sind in Fischereigenossenschaften organisiert, dokumentieren ihre Fänge und können Fangzertifikate nachweisen.» Letzteres ist notwendig, um den Fisch nach Europa exportieren zu können. Die Fischer hoffen, wenn sie nach MSC-Kriterien fischen, bessere Preise für ihren Fang zu erhalten. Binondo betont, dass der WWF und seine Partner, neben Coop sind das Unternehmen und Gesellschaften aus Deutschland, Holland und Grossbritannien, auf ein Umdenken der philippinischen Behörde zielen. 

Höchstens vier Fische pro Tour
Erste Erfolge sind sichtbar. Verbotene Fangtechniken, wie zum Beispiel Dynamitfischen, werden mit horrenden Bussen bestraft. Die industrielle Fischerei in der küstennahen Fangzone (die ersten 15 Kilometer) ist verboten. Zugelassen sind nur lokale traditionelle Fischer. Zusätzlich sind die industriellen Fischer per Gesetz dazu verpflichtet, kleinere Maschennetze – die Mindestgrösse der Netzmaschen wurde von 2,5 auf 7,6 Zentimeter erhöht – zu verwenden und damit den Beifang zu reduzieren. «Die Politik muss sich bewusst werden, dass die Fischerei in den Philippinen nur eine Zukunft hat, wenn sie nachhaltig betrieben wird», sagt Binondo. «Unser Projekt hat Vorbildfunktion. Doch das alleine reicht nicht. Es muss in den Köpfen der Fischer, der Konsumenten und der Behörden ein Umdenken stattfinden.» 

Gelbe Karte von der EU
Die Philippinen bestehen aus mehr als 7107 Inseln, 880 davon sind bewohnt. Sie gehören, unter anderem zusammen mit Indonesien, Malaysia und Papua Neuguinea, zum Korallendreieck, wo über 3000 Fischarten leben, doppelt so viele wie in jeder anderen Region der Welt. Doch das Gebiet ist überfischt. Viele Fischer sind nicht registriert, verfügen über keine Zulassung und beuten mit verbotenen Fangmethoden die Bestände aus. Im Juni 2014 wurde der Inselstaat zusammen mit Papua-Neuguinea von der Europäischen Union mit einer «Gelben Karte» verwarnt. Ihm drohte ein Importstopp für Fischereierzeugnisse, falls der Kampf gegen die illegale und unregulierte Fischerei nicht verstärkt werde. Die zuständige EU-Kommissarin Maria Damanaki schrieb: «Ich fordere die Philippinen und Papua-Neuguinea dringend auf, diesen Praktiken entgegenzuwirken, welche die Existenzgrundlage der Fischer bedrohen. Letztlich bedeutet nachhaltige Fischerei im Pazifischen Ozean auch Nachhaltigkeit in Europa – auf unseren Tellern.» Die Drohung der EU hatte eine Reform des Fischereirechtswesens zur Folge. Im April 2015 wurde die Gelbe Karte aufgehoben.

2800 Tonnen Gelbflossen-Thunfisch werden jährlich im Rahmen des WWF-Projektes gefangen, in den gesamten philippinischen Gewässern sind es an die 47 000 Tonnen. An vorderster Front stehen die Fischer von Lagonoy. Einer von ihnen ist Arman Buag. Sieben Tage die Woche fährt der 38-Jährige in den frühen Morgenstunden aufs offene Meer hinaus und hofft auf einen grossen Fang. Zu dritt harren die Fischer an die zwölf Stunden auf dem kleinen Holzboot aus. Der Platz ist knapp. Für mehr als vier grosse Fische – der grösste, den Arman je gefangen hat, war 65 Kilo schwer – hat es nicht Platz auf dem Boot. «Um den Fisch fachgerecht kühlen zu können, brauchen wir eine Kühlbox mit Eis, und die nimmt viel Platz ein. Ein grösseres Boot dürfen wir nicht benutzen, weil wir dann als ‹Industriefischer› gelten und nicht mehr Zugang zur küstennahen Fischzone bekommen», erklärt Arman. Einige von Armans Kollegen verfügen über noch kleinere Boote und keine Kühlmöglichkeiten. Bis sie an Land sind, entspricht der Fang nur noch einem B- oder C-Qualitätsstandard und landet zu einem tieferen Preis auf dem lokalen Markt.

Hat ein Thunfisch angebissen, wird per SMS der Exporteur informiert. Mit einem Kühlwagen nimmt er die Fische in Empfang und prüft die Qualität. Klasse-A-Thunfisch wird auf 0 bis 4 Grad gekühlt, per Lastwagen in zehn Stunden Fahrt nach Manila gebracht, für den Export zugeschnitten und per Frachtflugzeug in die Schweiz geschickt. Für einen A-Qualitäts-Fisch von rund 40 Kilo bekommt Arman nach Abzug von Bootsmiete, Benzinkosten und dem Lohn für seine zwei Fischerkollegen je nach Marktpreis an die 300 bis 500 philippinische Pesos (zwischen sechs und zehn Franken) ausbezahlt. Für einen Fisch Klasse B oder C liegt der Lohn um einiges tiefer. 

«Meine Kinder sollen nie Fischer werden»
Armans Einkommen reicht knapp aus, um seine Familie zu ernähren. Die kleine Hütte, in der er wohnt, verfügt über einen Raum, eine Kochnische und eine Art Toilette. Seine eigenen vier Kinder sollen nie Fischer werden, sagt er. Zu riskant sei der Beruf, zu klein das Einkommen, zu unsicher die Zukunft. «Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr verheerende Stürme als bei uns. Bei einem Zyklon auf offener See zu sein, ist tödlich.» Zusätzlich ist die Fischerei saisonal stark beschränkt. Von April bis Oktober arbeitet Arman als Maler. 

Doch trotz allem: Arman und seine Fischerkollegen sind dankbar, Teil des WWF-Projektes zu sein. «Liefern wir A-Qualitäts-Fische, die wir per Angel gefangen haben, ist uns ein Abnehmer mit einem fairen Preis sicher», erklärt Arman. Trotzdem fordert er einen weiteren Schritt. «Die industrielle Tunfisch-Fischerei müsste verboten werden. Sie schadet der Natur und den Fischen. Ein einziges industrielles Boot fischt an einem Tag gleich viel wie 28 traditionelle Fischer zusammen. Ob mit oder ohne Projekt – was haben wir und die Fische da für eine Zukunft?»