Am 30. Juli 2003 kam in Spanien ein Pyrenäensteinbock zur Welt. Das kleine Tier war eine wissenschaftliche Sensation – denn eigentlich waren die wilden Bergziegen drei Jahre zuvor ausgestorben. Nachdem die imposanten Tiere exzessiv gejagt worden waren, hatten sich Wissenschaftler jahrzehntelang vergeblich um den Erhalt der Art bemüht. Am Ende konnten sie nur noch Zellmaterial retten, denn das letzte lebende Tier, ein Weibchen namens Celia, wurde im Jahr 2000 von einem umstürzenden Baum erschlagen.

Der spanische Fortpflanzung-Experte José Folch implantierte Celias Zellkerne in die Eizellen von verwandten Ziegenarten. Daraus entstanden 439 Embryos, 57 davon wurden Ziegen-Leihmüttern eingepflanzt. Sieben nisteten sich in der Gebärmutter ein, nur ein Pyrenäensteinböckchen entwickelte sich so weit, dass es per Kaiserschnitt entbunden werden konnte. Die Freude über die erste gelungene Wiederbelebung einer ausgestorbenen Art währte allerdings nur kurz. Nach sieben Minuten erstickte das Neugeborene aufgrund eines angeborenen Lungenfehlers – der Pyrenäensteinbock war zum zweiten Mal ausgestorben.

Ist Aussterben nicht mehr endgültig?
Die Liste der Tierarten, die der Mensch durch Jagd, die Zerstörung der Lebensräume, das Einschleppen von Krankheiten oder den Import von invasiven Arten auf dem Gewissen hat, ist lang und wird jedes Jahr länger. Doch was vor wenigen Jahrzehnten noch reine Utopie war, scheint nun greifbar nah: die «Rückausrottung», in Fachkreisen bekannt unter dem englischen Begriff «Deextinction».

Der Pyrenäensteinbock ist nicht das einzige Tier, das eine zweite Chance bekommen soll. Unter anderem könnten auch Wandertauben, Dodos, Moas (flugunfähige Riesenvögel aus Neuseeland), Auerochsen, Tasmanische Tiger und sogar Mammuts wieder lebendig werden.

Zur Wiederbelebung setzen internationale Forscherteams auf verschiedene Methoden. Sind noch lebensfähige Zellen vorhanden, ist Klonen das Mittel der Wahl. Das wurde nicht nur beim Pyrenäensteinbock, sondern auch schon beim 1983 ausgestorbenen Australischen Magenbrüterfrosch versucht. Wie der Name besagt, brüteten die Weibchen dieser Froschart die befruchteten Eier tatsächlich in ihrem Magen aus, bevor der Nachwuchs schliesslich aus dem Maul schlüpfte. 2013 gelang es Mike Archer und seinem Team von der Universität New South Wales, Zellkerne des Magenbrüterfrosches in Eizellen des Australischen Sumpffrosches und einer Art des Südfrosches einzuschleusen. Es entstanden Embryos, die allerdings nach wenigen Tagen starben. Die Forscher gehen aber davon aus, dass verbesserte technologische Verfahren in absehbarer Zeit zum Erfolg führen werden.

Eine Alternative zum Klonen ist das so­genannte «Genome Editing». Mit dieser Methode soll das Erbgut einer noch lebenden, möglichst nah verwandten Tierart jenem der ausgestorbenen angeglichen werden. Ein vielversprechender Kandidat ist die Wandertaube, die vor rund hundert Jahren vom nordamerikanischen Kontinent verschwand. Gut erhaltene Zellen gibt es nicht mehr, aber mithilfe von ausgestopften Exemplaren konnte das Erbgut des Vogels bereits zu grossen Teilen analysiert werden. Jetzt vergleichen Forscher diese DNA-Sequenzen mit denen der nah verwandten Schuppenhalstaube – und gleichen die Unterschiede in mühsamer Puzzlearbeit an. Bis 2022, so das Ziel der amerikanischen «Long Now Foundation», sollen auf diesem Weg wieder Wandertauben entstehen.

Rückzüchtung hin zum Auerochsen
Auch das Mammut oder zumindest ein Tier, das dem vor 12 000 Jahren ausgestorbenen Mammut sehr ähnlich ist, könnte durch den DNA-Angleich wieder zum Leben erweckt werden – ein Projekt, mit dem sich unter anderem Forscher in den USA und in Korea intensiv beschäftigen. Sie wollen das Erbgut von Indischen Elefanten jenem des Mammuts angleichen, Elefantenkühe würden die Mammutbabys dann auch austragen.

In anderen Fällen ist die Suche nach einer Leihmutter schwieriger. So gibt es von der bis zu acht Meter langen Riesenseekuh, die im 18. Jahrhundert ausgerottet wurde, zwar noch Verwandte. Aber die heute lebenden Seekuh­arten werden nur bis zu vier Meter lang – die Trächtigkeit mit einem «Riesenbaby» würden sie wohl kaum überleben.

Diese und einige andere Schwierigkeiten umgeht man mit der Rückzüchtung, die zum Beispiel das europäische «Tauros Projekt» einsetzt. Durch gezielte Kreuzung verschiedener Hausrinder will man ein Tier züchten, das dem 1627 ausgestorbenen Auerochsen genetisch möglichst ähnlich ist. Die grossen, robusten Ur-Rinder, die sich ideal zur Landschaftspflege eignen, sollen schon in wenigen Jahren in grossen Herden durch die wilden Regionen Europas streifen.

Die «Long Now Foundation», die sich für die Rückkehr von Wandertaube und anderen Tierarten einsetzt, sagt, dass ausgestorbene Arten «aus den gleichen Gründen wieder zum Leben erweckt werden, aus denen wir bedrohte Arten schützen – um Biodiversität und genetische Vielfalt zu bewahren». Mammuts könnten laut einigen Forschern in Sibirien sogar dazu beitragen, die Erderwärmung zu bremsen, indem sie die Tundra zurück in Grasland verwandeln und so mehr Kohlendioxid binden. Abgesehen davon, so schrieb der Bioethiker Henry Greely im Fachjournal «Science», sei es sicher ziemlich cool, ein lebendes Mammut zu sehen.

Wissenschaftler sind sich nicht einig
Auch wenn sich dem letzten Argument wohl kaum jemand entziehen kann: «Deextinc­tion» ist auch in wissenschaftlichen Kreisen umstritten. Die immensen Forschungsgelder, so die Gegner, sollten besser in den Erhalt noch lebender Arten investiert werden. Zwar entwickeln sich Methoden wie das Klonen ständig weiter, trotzdem sind sie noch relativ ineffizient und bergen die Gefahr, dass kranke Tiere geboren werden. Auch die fehlende genetische Vielfalt der im Labor gezeugten Arten könnte zu gesundheitlichen Problemen führen. Ein weiterer Aspekt: Die ersten Jungtiere hätten keine Eltern, von denen sie arttypische Verhaltensmuster lernen könnten.

Und natürlich ergibt das ganze Unterfangen überhaupt nur dann Sinn, wenn die Probleme, die einst zur Ausrottung einer Tierart geführt haben, inzwischen beseitigt sind. Das ist häufig nicht der Fall: So gibt es zum Beispiel auf Mauritius, der Heimat des Dodo, nach wie vor Ratten, die einst zum Aussterben des flugunfähigen Vogels geführt haben. Zudem lasse sich, so die Sorge einiger Kritiker, in einigen Fällen nur schwer abschätzen, welche Auswirkung die Auferstehung lange ausgestorbener Arten auf das Ökosystem haben würde.

Egal ob man nun dafür oder dagegen ist, Aussterben rückgängig zu machen – das Szenario, dass übermütige Forscher wie im Kinofilm «Jurassic Park» Dinosaurier wiederbeleben und man irgendwann im Park von Tyrannosaurus rex angegriffen wird, muss niemand fürchten. Zumindest nach heutigem wissenschaftlichen Stand lassen sich nicht einmal winzige Bruchstücke des Dinosaurier-Erbgutes rekonstruieren.