Stab- und Gespenstschrecken imitieren Zweige und Blätter in Perfektion, um sich vor ihren Feinden zu verbergen. Diese Anpassung macht auch vor den Eiern der Insekten nicht halt: Sie ähneln in verblüffender Weise den Samen von Pflanzen. Die weiblichen Stabschrecken werfen meist kontinuierlich einzelne Eier zu Boden, die dann häufig mit Hilfe von Ameisen weiter verbreitet werden.

Diese Strategie macht es schmarotzenden Wespen schwer, die Stabschreckeneier in der Laubschicht aufzuspüren. Evolutionsbiologen der Universität Göttingen haben zusammen mit dem Luzerner Gespenstschrecken-Spezialisten Bruno Kneubühler sowie Forschern aus Deutschland und Belgien nun eine neue Fortpflanzungsstrategie der Stab- und Gespenstschrecken entdeckt, die ihre Eier im Paket ablegen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift «Scientific Reports» erschienen.

Ausgetüftelte Eipakete
«Die neu entdeckte Art aus Vietnam legt keine einzelnen Eier ab, sondern produziert komplexe Eipakete, sogenannte Ootheken, in denen sie über dreißig Eier in streng geordneter Folge arrangiert und an Zweige und Blätter klebt», erklärt Sven Bradler von der Uni Göttingen. 

Diese neue Strategie ist eine komplette Abkehr von der bislang bekannten Vorgehensweise dieser Stabschrecken und ähnelt eher der Gruppe der Gottesanbeterinnen. Deren Weibchen platzieren ausschließlich ausgetüftelte Eipakete in der Umgebung. «Die neue Form der Eiablage erfordert eine Fülle evolutiver Neuerungen, so etwa die Entwicklung spezieller Drüsen und das gleichzeitige Heranreifen zahlreicher Eier», sagt Julia Goldberg, Erstautorin des Artikels. 

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Blick ins Innere des Eipakets: komplex angeordnete Kammern mit ungeschlüpften Embryonen.
Bild: Peter Michalik 

Was genau die Insekten dazu veranlasst hat, ihre Fortpflanzungsstrategie derart drastisch zu verändern, bleibt spekulativ. «Vermutlich waren die Vorfahren der neuen vietnamesischen Art keine Nahrungsgeneralisten wie die meisten Formen, die ihre Eier umherwerfen, sondern Nahrungsspezialisten, die gezielt einzelne Eier auf den Blättern der Nahrungspflanzen platzieren.»

Darüber hinaus scheine die Formung einer Oothek auch dem Schutz der Nachkommen zu dienen. «Die Biologie der Stab- und Gespenstschrecken ist aber derzeit viel zu wenig erforscht, um hier zu einem abschließenden Urteil zu gelangen», so Bradler.

Originalpublikation:
Julia Goldberg et al.: «Extreme convergence in egg-laying strategy across insect orders», Scientific Reports.
Doi: 10.1038/srep07825