Zuchtpopulationen von Hummeln wurden schon vor rund 30 Jahren für den kommerziellen Anbau von Obst und Gemüse eingesetzt. Als Bestäuberinsekten erlauben die Hummeln eine effiziente Bestäubung – etwa für Tomaten im Gewächshaus, wo je nachdem der Wind fehlt. Mittels Vibration ihres kräftig gebauten Körpers vermögen Hummeln die Pollen aus den Staubblättern herauszuschütteln.

Das kanadische Unternehmen Bee Vectoring Technologies International Inc. BVT kombiniert die Fähigkeit dieser Bestäuberinsekten mit der gezielten Ausbringung eines Produkts, welches als natürliches Pflanzenschutzmittel agiert. Mit den Tests auf dem Bio-Beerenhof Räss Wildbeeren in Benken ZH wurde diese Technologie im Frühjahr 2020 erstmals in Europa eingesetzt.

Pilz gegen Pilz
Das Prinzip ist einfach: Die Hummeln begeben sich beim Ausgang ihres Nests in eine Schale mit einem Pulver, welches von den Hummeln während ihren Bestäubungsflügen an Blüten abgestreift wird. Das Pulver enthält den natürlich vorkommenden Pilz Clonostachys rosea (C. rosea). Dieser besiedelt die Pflanze, auf der er dank der Hummel landet und schützt diese vor anderen pathogenen Pilzen.

Damit können Kulturen unter anderem vor Graufäule, induziert durch den Pilz Botrytis cinerea, geschützt werden. Diese ist am grauen Pelz auf Erdbeeren und an ihren verdorrten Blättern zu erkennen. Auch die Tomaten- und Weinproduktion wird von der Graufäule geplagt. Bei einem Befall ist der Einsatz von Fungiziden schier unumgänglich. Der Schutz durch C. rosea ist möglich, weil dieser als sogenannter Antagonist die phytopathogenen (pflanzenschädigenden) Pilze wie Botrytis unterdrücken kann. Gleichzeitig könne C. rosea laut Christoph Lehnen, Manager Technik von BVT Europa, auch pflanzenstimulierend wirken, und schaden in keiner Weise der Pflanze oder den Hummeln.

Wirksam gegen verschiedene Pilze
C. rosea ist vor allem aktiv gegen Pilze, welche einige der in der Landwirtschaft unerwünschten Nekrosen induzieren, so Lehnen. So wurde bereits die Wirkung gegen Pilze der Gattung Fusarium (Getreide, Mais), Sclerotinia (Raps) oder Rhizoctonia (Kartoffeln) nachgewiesen.

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BVT züchtet die Erdhummeln (Bombus terrestris) und stellt zudem spezialisierte Hummelkisten zur Verfügung. In der Kiste kann der Dispenser mit dem Pulver integriert werden. Die Erdhummeln durchgehen zwingend den Dispenser, nehmen dabei das Pulver auf und bringen es auf die Blüten. «Das ist eine präzise und sparsame Methode, da das natürliche Pflanzenschutzmittel genau dort eingesetzt wird, wo es gebraucht wird – nämlich bei den Blüten. Es stört nicht, wenn die Blätter etwas befallen sind. Ein effizienter Schutz der Blüten ist aber für die Entwicklung der Beeren sehr wichtig», sagt Christoph Lehnen. Zudem erfordere diese Technologie kein Wasser und der Boden werde nicht durch Maschinen verdichtet.

Der Familienbetrieb Räss Wildbeeren, dessen «kompromissloser biologischer Landbau ein zentraler Bestandteil seiner Anbaumethode» sei, kultiviert exquisite Beerenarten wie Aronia, Goji oder Schisandra, aber auch die beliebten Himbeeren oder Erdbeeren.

Mit Begleitung von Christoph Lehnen konnten vom Frühjahr bis Sommer 2020 Versuche auf dem Beerenhof in Benken im Zürcher Weinland durchgeführt werden. Ende April wurden die Versuche bei den Erdbeeren gemacht, Mitte Mai kamen die Himbeeren dazu. Dazu wurden vier Parzellen definiert: ohne Behandlung, mit Standardbehandlung, nur mit BVT, Kombination aus BVT und Standardbehandlung.

Höhere Erntequalität
Das Resultat: Mit BVT konnten laut Räss 90 – 95 Prozent erstklassige Beeren geerntet werden, während der Anteil bei der Standardbehandlung ohne BVT bei 70 – 80 Prozent lag. Im Vergleich zur Standardbehandlung mit den im Biolandbau erlaubten Pflanzenschutzmitteln sei der Aufwand mit BVT auch geringer. Eine halbe Stunde bis eine Stunde musste wöchentlich aufgewendet werden, um die Schalen zu wechseln. «Das System mit den Hummeln ist daher sehr einfach und praktisch. Das Spritzen gibt mehr Aufwand», sagt Simon Räss. 

Behandlung der Erdbeeren nur mit Fungiziden
Für die Versuche auf dem Beerenhof musste eine Bewilligung vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) eingeholt werden, da das Pulver-Produkt mit dem Namen «Vectorite CR-7» in der Schweiz noch nicht als Pflanzenschutzmittel anerkannt ist.

Zwecks der Aufnahme in die Liste der erlaubten Pflanzenschutzmittel wurde 2018 ein Dossier von «Vectorite CR-7» dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) eingereicht – seither befindet sich das Produkt im Registrierungsverfahren, welches demnächst beendet werden soll. «Das Interesse an dieser Technologie ist hoch, die Anzahl der möglichen Versuche noch limitiert», meint Christoph Lehnen.

Ziel sei, das Produkt im Biolandbau und in der IP-Produktion zu verankern, sagt Lehnen weiter. Pflanzenschutzmittel könnten damit nicht vollständig ersetzt werden – deren Einsatz könne jedoch mit einer integrierten Produktion verringert werden. Bei anhaltend nassem Wetter, was in diesem Frühjahr und Sommer 2020 glücklicherweise nicht der Fall war, kann die Gefahr von pathogenem Pilzbefall nämlich trotzdem sehr gross werden.