Ein Schopfaffe in einem Reservat auf der indonesischen Insel Sulawesi grinst im Jahr 2011 in die Linse einer Kamera und drückt ab. Die Bilder gehen als «Affen-Selfies» um die Welt. Ein britischer Fotograf, David J. Slater, glaubt das Motiv seines Lebens geschossen zu haben. Er vermarktet die Fotos. Doch bald schon wird angezweifelt, dass er überhaupt die Rechte an den Bildern besitzt. Müsste nicht der Affe Besitzer der Urheberrechte sein? Oder gehören sie der Allgemeinheit?  

Im Jahr 2015 klagt im US-Staat Kalifornien die Tierrechtsorganisation Peta im Namen des Affen Naruto – ein Weibchen – auf die Rechte an den Bildern. Der Fall wurde vor kurzem in zweiter Instanz vor einem Gericht in San Francisco verhandelt, nachdem die Klage zunächst abgewiesen wurde.  

«Ich bin der erste Mensch in der Geschichte, der von einem wilden Tier verklagt wird, glaube ich», sagt Slater zu der Nachrichtenagentur dpa. Es geht um die Frage, ob ein Tier Urheberrechte besitzen kann. Der Affe habe die Bilder gemacht, ihm sollten die Rechte gehören, findet Peta-Justiziar Jeffrey Kerr. «Er sollte nicht anders behandelt werden, nur weil er kein Mensch ist.»

Zum Selfie verleitet  
Doch während die Tierrechtsaktivisten davon ausgehen, dass der Affe die Kamera von sich aus in die Hand nahm, berichtet Slater, wie er die Tiere mit viel Mühe dazu verleitet habe. «Ich stellte die Kamera auf ein Stativ (...). Sie spielten mit der Kamera, dabei wurden natürlich unausweichlich ein paar Bilder gemacht», schreibt Slater auf seiner Website. Zuvor war er mit einem Guide drei Tage lang im Wald, um sich mit der Gruppe anzufreunden.   Ob es ein Urteil geben wird, ist ungewiss. Die Streitparteien verhandeln derzeit über einen Vergleich. Am Donnerstag (24.8.) wollen sie das Gericht über den Stand der Gespräche informieren.  

Doch für Slater hat der Prozess schon jetzt drastische Folgen, wie er sagt. Der Fotograf fürchtet um seine wirtschaftliche Existenz. Er sei infolge des Verfahrens emotional und finanziell abgebrannt. Für die Anwaltskosten habe er sich tief verschulden müssen.

Nicht urheberrechtlich schützbar  
Einnahmen aus der Vermarktung der Bilder habe er kaum, sagt er. Grund dafür sei, dass eines seiner Fotos von der Online-Datenbank Wikimedia-Commons als urheberrechtsfrei geführt werde. Die Stiftung argumentiert, das Bild sei im öffentlichen Besitz und könne frei verwendet werden, weil ein Affe sie gemacht habe. Die US-Behörde für Urheberrecht scheint diese Ansicht zu unterstützen. In einem Handbuch zum Copyright-Law heisst es ausdrücklich, ein Foto, das ein Affe gemacht habe, könne nicht urheberrechtlich geschützt werden. Slater verlor eine entsprechende Klage gegen Wikipedia und machte damit Peta auf sich aufmerksam.  

Slater sieht sich um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Seiner Ansicht nach hat er das Foto gemacht, nicht der Affe – egal, wer den Auslöser gedrückt habe. Er schätzt, dass seine Fotos rund 50 Millionen Mal genutzt wurden. Für weitere Klagen fehlen ihm Geld und Kraft. Er konnte sich nicht einmal leisten, zum Gerichtsverfahren nach Kalifornien zu reisen, wie er sagt. Zudem sei seine Kreativität verloren gegangen. «Ich habe keinen Antrieb mehr, Fotos zu machen.» Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» sagte er Anfangs August sogar: «Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht.»

Unterstützerin der Klage wendet sich ab  
Auch die deutsche Primatologin Antje Engelhardt sieht durch den Fall ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet. Die Wissenschaftlerin hatte sich der Peta-Klage zunächst angeschlossen. Die 47-Jährige forscht seit mehr als einem Jahrzehnt mit den intelligenten Tieren. Sie kennt den Affen Naruto wie sonst niemand.  

Ohne sie wäre es für Peta kaum möglich gewesen, im Namen des Affen zu klagen, denn es brauchte einen «nächsten Freund», um glaubhaft die Interessen des Tieres vertreten zu können. Engelhardt hoffte darauf, die Klage könne zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Tierart beitragen.  

Inzwischen zog sie sich von dem Prozess zurück. Grund ist nach ihren Angaben ein Streit mit der Tierrechtsorganisation. «Es gab einen Vertrauensverlust. Meiner Meinung nach sollte diese Klage nur zum Wohle des Klägers sein und nicht zum Wohle irgendjemand anderes.» Mehr will Engelhardt aus Angst vor Klagen der Tierrechtler nicht sagen.

Klage wegen Belästigung
Die Primatologin ist in den USA wegen Belästigung und unerlaubten Betretens eines Privatgrundstücks angeklagt. Sie habe während einer US-Reise Differenzen mit Peta-Anwalt Jeffrey Kerr im Gespräch klären wollen, sagt sie. Doch dazu kam es nicht. Als sie an seiner Haustüre klingelte und anschliessend in den Garten ging, sei die Polizei verständigt worden. Engelhardt landete in Handschellen in einer Zelle, wie sie berichtet. Schon jetzt überstiegen die Anwaltskosten ihre finanziellen Mittel «bei weitem».  

Eine Zusammenfassung der Anklageschrift vor einem Gericht in New Jersey wurde von einer US-Internetportal veröffentlicht. Sie deckt sich mit dem Bericht Engelhardts. Peta-Anwalt Kerr will sich zu dem Streit mit der Primatologin nicht äussern. «Das hat absolut nichts mit dem Fall zu tun», sagt er auf Anfrage der dpa.  

Slater zumindest ist zuversichtlich, dass die Aufmerksamkeit der bedrohten Affenart helfen könnte. Er sagt: «Touristen strömen in das Naturreservat in Indonesien – und das allein lässt die Einheimischen darüber nachdenken, die Tiere zu erhalten statt sie zu töten.» Dies führt aber natürlich dazu, dass die Tiere nun viel mehr gestört werden. Dazu schreibt Slater deshalb auch auf seiner Website: «Wegen dem Erfolg der Fotos, hoffen viele Touristen nun auf eine ähnliche Erfahrung, wie ich sie machen konnte. Bitte nähern sie sich den Schopfaffen nicht näher als auf fünf Meter. Ihre Faszination für Menschen führt nur zu Problemen. Sie werden auch aus fünf Metern ein Portrait schiessen können.»