Der tägliche Kampf ums Futter ist ein täglicher Kampf ums Überleben. Besonders im Winter, wenn Nahrung rar ist und die Nächte lang sind. Kleine Vögel im hohen Norden stellt das vor eine besonders grosse Herausforderung: Die Nahrungssuche beschränkt sich auf die wenigen Stunden, in denen es hell ist. Doch nicht nur sie nutzen das Tageslicht, um ihre Beute zu erspähen, sondern auch ihre Feinde: Raubvögel, für welche kleine Vögel wie verschiedene Arten von Meisen eine willkommene Speise sind.

Allerdings haben die kleinen Vögel Strategien entwickelt, die sie vor Angriffen schützen, ja, die den Angreifern mitunter das Leben schwer machen. Olav Hogstad, Professor an der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Norwegens, hat sie untersucht. Dazu beobachtete er das Verhalten von Blau-, Weiden- und Kohlmeisen. Besonders interessierte ihn, wie die kleinen Vögel reagierten, wenn sie andere, grössere Arten erspähten. Dabei machte er eine spannende Beobachtung: Die Meisen sind sehr wohl in der Lage, zwischen Vogelarten zu unterscheiden.

Meisen in Alarmbereitschaft
Die Begegnung mit einem Dreizehenspecht beispielsweise liess die Meisen weitegehend unberührt. Sperber (Accipiter nisus) und Unglückshäher (Perisoreus infaustus) hingegen versetzten sie in Alarmbereitschaft. Hogstad schloss daraus: «Die Meisen haben nicht nur die Fähigkeit, zwischen Vogelarten zu unterscheiden, sondern auch zwischen den Bedrohungen, die von ihnen ausgehen». Gegenüber dem Forschungs-Onlineportal «geminiresearchnews» hält er des weiteren fest, dass die Meisen ihr Verhalten vom Grad der Bedrohung abhängig machen. Je nach deren Schwere mieden sie die Futterstelle.

Gleichzeitig warnen kleine Vögel ihre Artgenossen, wenn Gefahr im Anzug ist. Hogstad fand heraus, dass die kleinen Arten potenziellen Aggressoren signalisieren, dass sie entdeckt wurden. Damit nicht genug: Immer wieder verscheuchten die kleine Vögel ihre Feinde, indem sie um diese herumflogen und einen Tumult veranstalten. Forscher sprechen dabei von «Mobbingverhalten».

Erstaunt war Hogstad aber auch über einen anderen Punkt: Die Toleranzgrenze für Gefahr war bei den beobachteten kleinen Vögeln unterschiedlich hoch. Trotz der Gegenwart eines Unglückshähers kehrten die Blaumeisen schneller an die Futterstelle zurück als ihre Artgenossen. Offensichtlich war es ihnen wichtiger, Futter aufzunehmen, als sich zu vergewissern, dass die Gefahr vorüber ist. Das Risiko, dass sie gefressen werden, sei dadurch naturgemäss auch höher, hält Hogstad gegenüber dem Onlineprotal «geminiresearchnews» fest.

Angst-Toleranz innerhalb derselben Art
Doch diese Folgerung trifft nicht in jedem Fall zu. In seiner Studie stellt der Forscher weiter fest, dass es selbst innerhalb der Arten Tiere mit unterschiedlicher Angst-Toleranz gibt. Sein Augenmerk galt den dominanten Meisen. Diese, folgert Hogstad, würden die Gabe besitzen, effizienter zu fressen, als ihre Artgenossen. Das wiederum gebe ihnen mehr Zeit, die Umgebung nach Feinden abzusuchen und länger einzuschätzen, ob ein erneuter Flug zur Futterstelle gefährlich ist oder nicht.