Sens linke Hand umklammert fest das Geländer. Parkranger Silik zieht an seiner rechten, doch der Orang-Utan rührt sich nicht vom Fleck. Mehrere Touristen haben sich um ihn versammelt. Sen taxiert Silik einen Moment lang, dann erkennt er: Der Mensch wird nicht nachgeben.

Also lässt Sen das Geländer los und folgt dem Ranger widerwillig zu den Bäumen – weg von den Urlaubern im Sepilok Orangutan Rehabilitation Centre bei Sandakan, im Osten Malaysias.  

«Wir versuchen, den Kontakt zwischen den Orang-Utans und den Touristen so gut es geht zu minimieren», sagt Silik, der schon seit zwei Jahrzehnten Waldranger ist. «Wir wollen nicht, dass sie eine Abhängigkeit von Menschen entwickeln, sondern selbstständig im Dschungel überleben können.»

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 Der Graue Gibbon ist auch unter dem Namen «Borneo-Gibbon» bekannt.
 Bild: Greg Hume/wikimedia.org/CC-BY-SA

Bewirtschaftung oder Erhalt
Doch es gibt ein Tauziehen im Bundesstaat Sabah: Um den Wald, den Lebensraum für mindestens zehn Arten von Primaten. Pläne für seine Bewirtschaftung stehen jenen des Erhalts gegenüber.

Tierschützer betonen immer wieder, wie wichtig es sei, in dieser Frage eine Lösung zu finden. Die Populationen diverser Affen seien geschrumpft, darunter Orang-Utans, Gibbons und Nasenaffen, sagt der Umweltaktivist Marc Ancrenaz. Der Franzose ist Co-Direktor des Kinabatangan Orangutan Conservation Project (KOCP).

KOCP hat sich zur Aufgabe gemacht, das Zusammenleben von Menschen und Orang-Utans zu sichern. Das soll die lokale ökonomische Entwicklung fördern, im Einklang mit der Natur.

14'000 Tiere auf Borneo
Nach Angaben von Ancrenaz leben in Sabah nur noch rund 11'000 Orang-Utans, weitere 3000 in Sarawak, dem angrenzenden Bundesstaat, mit dem Sabah den malaysischen Teil der Insel Borneo bildet. Der Tierschützer ist sich sicher: «Schuld ist die Zerstörung des Waldes und seine Umwandlung in Agrarfläche.»

Der Lebensraum der Tiere werde zersplittert, Menschen nutzten Bäume als Feuerholz. Auch direkte Konflikte zwischen Menschen und Affen seien Schuld an der sinkenden Zahl der Tiere: «An einigen Orten jagen Leute Orang-Utans und töten sie, weil die auf der Suche nach Nahrung in ihre Farmen eingefallen sind», sagt der 50-Jährige.

Situation bei Nasenaffen noch prekärer
Noch schlechter als den Orang-Utans geht es den Nasenaffen, jenen Primaten mit dem grossen Zinken im Gesicht und einem fast immerzu erigierten Geschlechtsteil. Nasenaffen kommen nur auf Borneo vor. Sie leben in Mangroven- oder Sumpfwäldern in Ufernähe.

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 Nasenaffen kommen ausschliesslich auf Borneo vor.
 Bild: belgianchocolate/Flickr

Tagsüber wandern sie auf Futtersuche landeinwärts, abends kehren sie an ihre Schlafplätze zurück. Doch genau diese Ufergebiete sind weitgehend abgeholzt und zu Anbauflächen umgestaltet worden.

Nach einer Studie der Universität Malaysia Sabah von 2008 sind Nasenaffen in den Orten Papar und Kunak bereits ausgestorben. «Und das ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs», heisst es in dem Bericht: Viele Populationen verschwänden unbemerkt.

Zwar hat die Regierung von Sabah im vergangenen Jahrzehnt die geschützten Waldflächen ausgeweitet, im Versuch, die Wildnis Borneos zu bewahren. Doch die Rodung des Waldes geht weiter.

Schutz nur auf dem Papier
In Entwicklungsländern existierten geschützte Flächen wie Naturreservate und Nationalparks oft nur auf dem Papier, heisst es in einer Studie der Universität von Queensland in Australien.

Der geschützte Status werde in Wahrheit häufig nicht durchgesetzt und die Flächen nicht effektiv überwacht, schreiben die Autoren. Auf Borneo gebe es zwar geschützte Areale für Orang-Utans und Nasenaffen, doch diese seien oft zu klein oder schlecht geeignet.

Tierschützer Ancrenaz glaubt, die Lösung läge bei den Menschen in bestimmten Gemeinden, gerade jenen an den Waldrändern oder in Palmölplantagen. «Die Tiere sind Primaten – sie bleiben nicht nur im geschützten Wald. Manchmal gehen sie raus und leben an Orten, wo auch Menschen leben», sagt er.

Darum müsse man Wege finden, wie Mensch und Tier zusammenleben können. Wichtig dafür sei Bildung und ein schärferes Bewusstsein bei den Menschen – damit sie das Verhalten der Tiere verstehen lernen. Ein gutes Beispiel ist das Labuk Bay Proboscis Monkey Sanctuary in Sandakan.

Nasenaffen finden hier auf rund 160 Hektar einen Ort zum Leben. Eigentlich sollte das Mangrovenwaldstück zu einer Palmölplantage umgewandelt werden – als letzter Teil einer mehr als 400 Hektar grossen Fläche, die vormals Wald war.

Die Plantage gehört einem Mann, der nur als «Herr Lim» bekannt ist. «Während die Arbeiter sich auf ihren Einsatz vorbereiteten, sah er diese Affen und war sofort fasziniert», erinnert sich ein Mitarbeiter. Lim entschied, das Gebiet nicht zu roden.

Ökotourismus als Lösung?
Urlauber, die die Nasenaffen heute aus nächster Nähe erleben dürfen, sind begeistert von diesem Erlebnis – obwohl sie dafür tief in die Tasche greifen müssen. Leda aus dem australischen Adelaide kann ihren Blick kaum von zwei Affenmännchen lösen, die gerade kämpfend versuchen, ein Weibchen zu beeindrucken. «Sie würden wirklich für die eine kämpfen, die sie lieben», meint sie.

Für Tierschützer Ancrenaz ist ein solcher Ökotourismus das beste Modell. «Wo Nasenaffen oder Orang-Utans leben, kommen auch Urlauber hin», sagt er. Wenn man sie willkommen heisse, könnten die Einwohner daran verdienen.

Dadurch etabliere sich eine lokale Wirtschaft – und Mensch und Tier könnten nebeneinanderleben. «Das ist alles nur eine Frage der Balance», ist Ancrenaz überzeugt. Die sei zwar manchmal schwer zu finden – aber sie sei möglich.