Wer in einer kalten Winternacht wie in letzter Zeit im Bauernhaus die Ohren spitzt, hört mitunter ein reges Rascheln und Krabbeln. Oft stammt es von Mäusen, welche auf der Suche nach Wärme in den Holz-Zwischenwänden oder im Estrich herumwuseln. Doch nicht alle zählen zur Familie der Nagetiere, wie man annehmen könnte.

Die Waldspitzmaus (Sorex araneus) gehört definitiv nicht in diese Kategorie, sondern zu den Insektenfressern. Diese Gruppe umfasst rund 450 Arten und bildet damit neben den Nagetieren und Fledertieren eine der grössten Ordnungen in Bezug auf die Artenanzahl. Igel, Maulwürfe, Spitzmäuse und unter anderem Schlitzrüssler werden zu ihnen gezählt. 

Von der Fähigkeit der Anpassung
Wenn man bedenkt, dass Insektenfresser grundsätzlich keine grossen Entfernungen zurücklegen, erstaunt deren Verbreitung über den ganzen Globus. Sie ist eine Folge der Fähigkeit von Säugetieren, sich anzupassen. Daher findet man Insektenfresser praktisch überall, ausser in den Polarregionen, in Südamerika und Australien. Viele Arten der Insektenfresser leben in Wüsten, im Wasser in Städten oder am Land. 

Der Spitzmaus gebührt besondere Beachtung. Sie ist eine besonders erfolgreiche Form der Insektenfresser, mit vielen Arten, die in ganz unterschiedlichen Lebensräumen zuhause sind. Gleichzeitig zählen sie dank ihrer 350 unterschiedlichen Spitzmausarten zu den artenreichsten Familien der Säugetiere. 

«BR»-Doku über die Waldspitzmaus

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Eine davon ist die Waldspitzmaus. Ihr auffälligstes Erkennungsmerkmal ist die spitze Schnauze, die ihr den Namen verliehen hat. Danach wandert der Blick des Betrachters unmittelbar aufs Fell: An der Oberseite ist es schwarzbraun und geht zum Bauch hin in ein Grau über. Das rund sieben Zentimeter lange Tier hat Augen von der Grösse eines Stecknadelkopfs und einen vier Zentimeter langen Schwanz. Gerne wird die Waldspitzmaus mit der Hausspitzmaus (Crocidura russula) verwechselt. Doch sie besitzt generell ein graubraunes Fell.

Was man in der Regel nicht so einfach sieht, sind die roten Zahnspitzen der Waldspitzmaus. Damit gehört sie zu den Rotzahnspitzmäusen. Auch hier gibt einen Unterschied zur Hausspitzmaus: Deren Zähne sind weiss. Mit diesem Unterscheidungsmerkmal ist eine Zuordnung anhand von Skeletten möglich. 

Keine Angst vor der Katze
Die Katze lässt bekanntlich das Mausen nicht. Bei der Waldspitzmaus macht sie jedoch gerne eine Ausnahme. Aus gutem Grund: Wissenschaftler vermuten, dass das Büsi wegen deren giftigen Bisses auf Abstand gehen. Das gilt auch für andere Tiere. Aufgrund des Giftes im Körper bleibt eine tote Waldspitzmaus oft tagelang liegen. 

Am wohlsten fühlt sich die Waldspitzmaus in feucht-kühlen Lebensräumen, mit möglichst viel Pflanzenbewuchs. Wenn es kalt wird, zeigt sie das Dehnelsche Phänomen: Um Energie zu sparen, schrumpfen im Winter viele Organe und sogar das Skelett («Tierwelt online» berichtete). Auf diese Weise wird der Nahrungsbedarf beachtlich reduziert.

Das ist bei Waldspitzmäusen sehr wichtig. Denn normalerweise ist deren Energiebedarf so hoch, dass sie verhungern, wenn sie zwei bis drei Stunden keine Nahrung finden. Davon ist im Sommer genügend vorhanden, vor allem Würmer und Larven. Im Winter müssen die Tiere mit den wenigen vorhandenen Insekten und Spinnen Vorlieb nehmen. Da sie nur rund 13 bis 18 Monate alt werden, machen sie diesen Transformationsprozess nur einmal im Leben durch. 

Die Waldspitzmaus lebt grundsätzlich solitär in einem Revier, das sie mit Kot, Urin und Duftsekreten markiert. Je nach Geschlecht, Alter und Populationsdichte ist es zwischen 90 und fast 3000 Quadratmetern gross. Eine weitere Rolle für die Ausdehnung des Habitats spielt dessen Beschaffenheit. In Dünen-Gebieten ist sie in der Regel klein.

Obwohl die Waldspitzmaus ein Einzelgänger ist, kann es in Gebieten mit hoher Populationsdichte zu Gruppenbildungen kommen. Denn in diesen Fällen ist zu wenig Platz vorhanden. In solchen Fällen leben mitunter drei bis 15 Tiere miteinander. Eines zeigt sich dabei erneut: die Anpassungsfähigkeit der Waldspitzmaus. Ihr ist es auch zu verdanken, dass der Bestand als nicht gefährdet gilt.