Menschen unterscheiden sich von Tieren dadurch, dass sie Werkzeuge benutzen – davon gingen Naturforscher aus, bevor die junge Jane Goodall mit ihren aufsehenerregenden Beobachtungen die etablierte Wissenschaft aufrüttelte. Am kommenden Mittwoch (3. April) feiert die berühmte Verhaltensforscherin ihren 85. Geburtstag.    

Geboren wurde sie als Valerie Jane Morris-Goodall in einer britischen Mittelschichtsfamilie – der Vater Ingenieur, die Mutter Schriftstellerin. «Ich wollte mit wilden Tieren leben und Bücher darüber schreiben», erzählte Goodall dem «Guardian» – inspiriert von Tarzan und Dr. Dolittle. Doch die Leute sagten ihr, sie sei doch «nur ein Mädchen» und empfahlen ihr, Missionarsfrau oder Stewardess zu werden. Nur ihre Mutter lachte nicht über ihren Berufswunsch.

Kellnern für die Keniareise  
Über Umwege machte Jane Goodall schliesslich ihren Traum wahr: Ihre Eltern konnten ihr kein Studium finanzieren, daher besuchte sie eine Sekretärinnenschule. Schliesslich arbeitete sie als Kellnerin, um sich die Überfahrt nach Kenia zu finanzieren. Dort bewarb sie sich beim Paläoanthropologen Louis Leakey, der sie 1960 nach Tansania schickte, um mehrere Monate lang Schimpansen zu beobachten.    

Eine Zeit des politischen Umbruchs auf dem Kontinent – daher hatte sie als weisse Frau grosse Vorteile, stellte sie in der «New York Times» rückblickend fest: Afrika «bewegte sich in Richtung Unabhängigkeit und weisse Männer waren bedrohlich und wurden von Afrikanern nicht gemocht. Aber als Frau wollten sie mir alle helfen.»    

Als die 26-Jährige ihr Lager im Gombe-Stream-Nationalpark am Rande des Tanganjika-Sees aufschlug, wurde sie von ihrer Mutter begleitet, denn Frauen durften damals nicht alleine im Park leben. Am Anfang schien ihre Expedition ein hoffnungsloses Unterfangen zu sein: Über Monate erhaschte sie nur kurze Blicke auf die Menschenaffen. Als sie endlich das Vertrauen der Schimpansen gewann, machte sie jedoch drei überraschende Entdeckungen.

Drei sensationelle Beobachtungen  
Einer der Schimpansen nagte am Kadaver eines Kleintiers. Das widerlegte die vorherrschende Annahme, dass Affen kein Fleisch fressen. Ausserdem benutzte derselbe Schimpanse, den sie inzwischen David Greybeard (Graubart) getauft hatte, einen Grashalm, um Termiten aus ihrem Bau zu fischen. Damit bewies er, dass nicht nur Menschen Werkzeug benutzen – davon war die Wissenschaft bis dato ausgegangen. Und dann befreite Greybeard auch noch einen Ast von Blättern, um besser nach den Leckerbissen stochern zu können –und stellte damit Werkzeug her.    

Wissenschaftler mokierten sich darüber, dass sie den Schimpansen Namen gab, aber Jane Goodall hatte ohne jede akademische Ausbildung die Primatenforschung auf den Kopf gestellt. Ihr Buch «In the Shadow of Man» (1971) wurde in 48 Sprachen übersetzt. Auf Deutsch erschien es unter dem Titel «Wilde Schimpansen».    

Rund 40 Filme wurden über die Forscherin gedreht. In der «New York Times» erinnerte sie sich an den ersten von 1965, den 25 Millionen Nordamerikaner sahen und der sie weithin bekannt machte: «‹Miss Goodall and the Wild Chimpanzees› (Miss Goodall und die wilden Schimpansen) war so fehlerhaft. Orson Welles war der Erzähler, und ich nahm mir deshalb einen Anwalt, und Orson Welles musste ihn nochmal aufnehmen.»

2016 kam der Dokumentarfilm «Jane» heraus. Filmmaterial aus den 60ern war wieder aufgetaucht, das der «National Geographic»-Kameramann Hugo van Lawick gedreht hatte. Er sollte später ihr erster Ehemann werden. Die Blondine mit dem charakteristischen Pferdeschwanz wirkte damals eher wie ein Filmstar als eine ernstzunehmende Verhaltensforscherin. Goodall sieht das sehr pragmatisch: «Wenn meine Beine mir geholfen haben, für die Schimpansen Werbung zu machen, dann war das nützlich», sagte sie kürzlich der Zeitschrift «Time».

Engagement für den Tierschutz  
Mitte der 80er Jahre gab Goodall ihre Forschungsarbeit im Naturreservat auf: «Ich merkte plötzlich, dass die Schimpansen verschwanden, die Wälder zurückwichen, schreckliche Dinge in der medizinischen Forschung passierten», sagte sie dem «Guardian». «Ich wusste, dass meine Zeit gekommen war, etwas dagegen zu unternehmen.» Selbst heute, mit Mitte 80, ist sie noch 300 Tage pro Jahr unterwegs, engagiert sich weltweit für Klimaschutz, Naturschutz und ein nachhaltiges Umweltbewusstsein. 

Über die Jahre hat sie sich ihren trockenen Humor bewahrt: «Du wächst von einem Baby zu einer alten Dame heran, und dann wird man älter – oder nicht, je nachdem, wie viele Facelifts man hat», witzelte sie gegenüber der «New York Times» – wie immer elegant und mit Pferdeschwanz, der inzwischen weiss geworden ist.    

Zweimal pro Jahr besucht sie Gombe, wo alles begann: «Ich vermisse es, im Wald zu sein. Wenn ich an die Beziehung denke, die ich mit den Schimpansen Flo und David Greybeard hatte – das war magisch, und es wird nie wieder zurückkehren. Niemand wird es jemals wieder so machen.»