Die Versuche von Forschenden, die Unterart zu retten, verschlingen Millionen. Vom Nördlichen Breitmaulnashorn gibt es faktisch nur noch zwei Tiere: die Weibchen Najin (32) und ihre Tochter Fatou (21). Der letzte Bulle Sudan verstarb 2018 («Tierwelt» berichtete) im Alter von 45 Jahren. Dennoch konnten sein und das Sperma eines weiteren Bullen, der 2014 verstarb, entnommen und konserviert werden, sodass einer künstlichen Nachzucht mit Najin und Fatou eigentlich nichts im Wege steht. 

Nun teilte das wissenschaftliche Konsortium Biorescue mit, dass die ältere Najin nicht mehr für die Eizellenspende herangezogen werde. Damit richten sich jetzt alle Hoffnungen auf ihrer Tochter, dem einzigen anderen Nördlichen Breitmaulnashorn auf der Erde. Die beiden Tiere leben unter ständiger Beobachtung in dem kenianischen Schutzpark.

 

Leihmutter für Nashörner

Seit 2019 entnimmt das multinationale Konsortium Eizellen der Weibchen, die dann mithilfe von Sperma zweier verstorbener Bullen in einem italienischen Labor befruchtet werden. Inzwischen wurden auf diese Weise zwölf Embryos erzeugt, die dann von Südlichen Nashornweibchen als Leihmütter ausgetragen werden. Denn weder Fatou noch Najin könnten ihre Kälber, aufgrund von Fehlfunktionen der Gebärmütter, selber zur Welt bringen. Die Kälber sollen wiederum, so der Plan, in Schutzgebieten im früheren Verbreitungsgebiet des Nördlichen Breitmaulnashorns in Ost- und Zentralafrika ausgesetzt werden. So weit wird es aber erst in 50 bis 70 Jahren sein, schätzen die Projektverantwortlichen, falls überhaupt je, denn bis jetzt sei noch nie ein durch künstliche Befruchtung gezeugtes Nashorn auf die Welt gekommen.

Die lebensfähigen Embryonen stammten jedoch allein von der jüngeren Fatu, und das Programm sei trotz aller Sorgfalt nicht ohne Risiken, sagte Jan Stejskal, der Leiter für internationale Projekte im tschechischen Safaripark Dvur Kralove, wo Najin 1989 geboren wurde. Deshalb werde die Nashorn-Dame künftig nur noch für weniger riskante Projekte wie etwa der Entnahme von Gewebeproben für Stammzellenversuche herangezogen.

Video: Najin und Fatou werden Eizellen entnommen

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Kritik am Programm

Schuld an der Misere des Nördlichen Breitmausnashorns ist einzig der Mensch mit seiner zerstörerischen Gier auf Nashorn-Horn. In den 1950er-Jahren gab es noch über 2000 Nördliche Breitmaulnashörner, wie dem untenstehenden BBC-Video zu entnehmen ist. Wer sich nun aber fragt, ob es gerechtfertigt ist, Millionen für die Rettung einer fast schon ausgestorbenen Unterart auszugeben, während eine Vielzahl anderer Tierarten jedes Jahr in aller Stille von diesem Planeten verschwindet, ist nicht alleine. Viele sähen es lieber, wenn dieses Geld in den Schutz heute noch einigermassen zahlreich vorhandenen Arten gesteckt würde, wenn der Lebensraum geschützt, Ranger ausgebildet und weitere Möglichkeiten für die lokale Bevölkerung geschaffen würden. So könnte diese profitieren und mit ihnen eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten – statt nur eine einzelne.

Es gebe aber gute Gründe, weshalb es das Nördliche Breitmaulnashorn zu bewahren gelte, schreibt das Projektteam. Das Nördliche Breitmaulnashorn trage eine Reihe von Genen in sich, die einzigartig sind und ihm die besten Chancen für ein Überleben in der Wildnis verschaffen. So könnten mit dem Nördlichen Breitmaulnashorn wertvolle Gene zum Überstehen von Nashorn-Krankheiten in Ostafrika verloren gehen. Wird das Nördliche Breitmaulnashorn gerettet und wieder angesiedelt, stärke dies die Überlebenschancen des Breitmaulnashorns insgesamt. Die Nördliche Breitmaulnashorn spiele zudem als grosser Pflanzenfresser eine wichtige Rolle im Ökosystem. Es trägt dazu bei, dass die Savanne offen bleibt und nicht von Büschen überwuchert wird.

Rettung grosser Weidetiere kann Pandemie-Risiko verringern

«Wir sehen BioRescue nicht nur als ein Vorhaben mit dem einzigen Ziel an, neue Nachkommen einer einzelnen Art zu schaffen, sondern vielmehr als einen ersten Meilenstein bei der Wiederherstellung stark gestörter Lebensräume in Zentralafrika», sagt denn auch Thomas Hildebrandt, Leiter des BioRescue-Teams und der Abteilung für Reproduktionsmanagement am Leibnitzer Institut gemäss der Mitteilung. «Die Wiedereinführung eines grossen Weidetieres in diese Lebensräume wird dazu beitragen, die natürliche Widerstandsfähigkeit dieser Ökosysteme wiederherzustellen.» Mit Blick auf die Corona-Krise könne dies auch das Risiko neuer Pandemien deutlich verringern.