Die EU-Richter stellten klar, dass traditionelle Fangmethoden zwar in Ausnahmefällen erlaubt werden könnten. Die Tradition reiche als Begründung für die Genehmigung jedoch nicht aus. Im Fall der Leimrutenjagd gebe es offenbar «zufriedenstellende» Alternativen, etwa Vögel in Gefangenschaft aufzuziehen, anstatt sie zu jagen. Die endgültige Entscheidung über ein eventuelles Verbot muss jetzt der französische Staatsrat treffen. (Rechtssache C-900/19)

Bei der Leimrutenjagd bleiben Vögel an einem mit klebrigem Leim eingeschmierten Ast hängen. EU-weit ist diese Methode verboten, lediglich in fünf südfranzösischen Départements wird die früher weit verbreitete Methode noch immer angewandt. Zwei Vogelschutzorganisationen hatten die Regelung vor dem französischen Staatsrat angefochten. Dieser wollte vom Gerichtshof wissen, ob die Leimrutenjagd den Voraussetzungen der EU-Vogelschutzrichtlinie entspreche.

Laut der Richtlinie kann in Ausnahmefällen vom grundsätzlichen Verbot abgewichen werden, wenn die Fangmethoden selektiv sind, strenge Kontrollen vorgenommen und nur geringe Mengen gefangen werden. Die Richter zweifelten in ihrem Urteil an, dass die Leimrutenjagd diese Kriterien erfüllt: Es sei sehr wahrscheinlich, dass die versehentlich gefangenen Vögel irreparable Schäden erleiden würden, selbst wenn ihr Gefieder anschliessend von dem klebrigen Leim gereinigt werde.

Damit weicht der EuGH in Teilen von einem Gutachten ab, das die Generalanwältin Juliane Kokott im November erstellt hatte. Kokott hatte erklärt, dass der Leimrutenfang nicht zwingend im Widerspruch zu EU-Recht stehe, wenn dem Erhalt der Jagdmethode ein erhebliches kulturelles Gewicht zukomme.