Das Klicken der vielen Kameras stört Alcu nicht. Die betagte Schneeleopardin döst in der Sonne, nur wenige Meter vom Zaun entfernt, hinter dem sich etwa 40 Reporter drängen.  

Irgendwann wird es Alcu doch zu viel, dann steht sie auf und humpelt in ihre Hütte, auf drei Beinen. Denn wo ihre linke Vorderpfote war, ist nur noch ein Beinstumpf. Wildhüter haben Alcu im Jahr 2002 aus einer Falle gerettet. Das Fangeisen mit dem Schnappmechanismus hat ihre Pfote abgetrennt.  

Seither lebt die Schneeleopardin im rund 7000 Quadratmeter grossen Freigehege des deutschen Naturschutzbundes (Nabu) nördlich des Gebirgssees Yssykköl in Kirgistan.

Treffen zum Schutz der Art  
Kürzlich hatte Alcu ungewöhnlich viel Besuch. Journalisten aus unterschiedlichen Ländern kamen nach Kirgistan zum International Snow Leopard and Ecosystem Forum (23. - 26. August 2017), einem Treffen zum Schutz der Schneeleoparden. Der Ausflug zum Freigehege war Teil des Programms.  

Zur Zusammenkunft am vergangenen Freitag in der Hauptstadt Bischkek kamen mehr als 250 Wissenschaftler und Naturschützer sowie Vertreter jener asiatischen Länder, in deren Hochgebirgen der Schneeleopard lebt – darunter Afghanistan, China, Indien, Nepal, Pakistan und Russland.  

«Der Schutz des Schneeleoparden und die Steigerung seiner Bestände ist die Hauptaufgabe für uns alle», betonte der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew in seiner Ansprache. Der Schneeleopard (Panthera uncia) ist aber mehr als nur eine bedrohte Tierart. Die charismatische Grosskatze ist zum Symbol geworden für die bedrohten Hochgebirgsökosysteme Asiens.

Zerstörung des Lebensraumes
  «Heute sind es nicht mehr einzelne Individuen, die die grösste Gefahr für den Schneeleoparden darstellen, sondern die gesamte Menschheit», sagte Matthias Fiechter vom Snow Leopard Trust (SLT), einer Nichtregierungsorganisation aus den USA. Auf der Liste der Bedrohungen sei die Wilderei nach unten gerückt, oben stehe nun die Zerstörung der Lebensräume durch Überweidung, Umweltverschmutzung, Bergbau und vor allem durch den Klimawandel.  

Denn Hochgebirge wie etwa Himalaya, Karakorum oder Pamir reagierten besonders empfindlich auf die Erderwärmung, erläutert Ryan Bartlett, Klimaexperte beim World Wide Fund for Nature (WWF). Gletscher ziehen sich rasch zurück, saisonabhängige Niederschlagsmuster verschieben sich.  

«Die Existenzgrundlage der Menschen wird dadurch gefährdet», so Bartlett. Die Beutetiere des Schneeleoparden, etwa Wildschafe, die ohnehin schon mit dem Weidevieh um die kargen Graslandschaften konkurrieren, verschwinden zunehmend. Bartlett zufolge lässt sich das Problem langfristig nur lösen, wenn sich die gesamte Welt an das Klimaabkommen von Paris hält – jenen Vertrag, aus dem die USA gerade aussteigen wollen. Eine weitere Strategie sieht Bartlett darin, sich den Veränderungen anzupassen und Lösungen zu suchen. Eine Möglichkeit seien sogenannte «künstliche Gletscher»: Dabei wird Schmelzwasser in grossen Becken aufgefangen, um zusätzliche Wasservorräte zu schaffen.

Aktionsplan zur Rettung  
Das Global Snow Leopard and Ecosystem Protection Program (GSLEP) soll den Schneeleopard mitsamt Lebensraum retten. Der Aktionsplan umfasst Massnahmen vom Schutz vor Wilderei über Umweltbildung bis zum Erhalt der Beutetiere.  

Bereits 2013 trafen sich Vertreter der zwölf Verbreitungsländer in Bischkek, um eine Erklärung zu unterzeichnen. Die sah vor, bis 2020 grenzübergreifend mindestens 20 gesunde Schneeleoparden-Populationen zu identifizieren und zu sichern. Das GSLEP-Sekretariat in Bischkek soll die internationalen Bemühungen koordinieren. Dort arbeitet der indische Wissenschaftler Koustubh Sharma. Seine Zwischenbilanz: «Der halbe Weg ist geschafft.»  

Die Verbreitungsländer identifizierten 23 Schneeleoparden-Lebensräume mit insgesamt knapp 500'000 Quadratkilometern – das entspricht etwa der Fläche Spaniens. Die Management-Pläne zum Schutz der Gebiete haben bisher Kirgistan, Pakistan, die Mongolei, Bhutan und Nepal fertiggestellt. Die Finanzierung des Programms könnte allerdings Probleme bereiten. Von den veranschlagten 182 Millionen US-Dollar wurde bisher nur etwa ein Viertel von den Verbreitungsländern bereit gestellt. Hauptgeldquelle ist die Global Environment Facility (GEF), eine Institution zur Finanzierung von Umweltprojekten in Entwicklungsländern.