Das Haus könnte kaum idyllischer zwischen Bergen und Seen liegen. Ein Gemüsegarten, Obstbäume, Kinderschaukel und ein Hasenstall im Garten. Intakte Natur. Für Spaziergänge in der Gegend hat Moira Panazzolo dennoch nicht allzu viel übrig. «Wenn es dunkel wird, fühle ich mich schon nach zwei Schritten vor das Haus oder beim Müll rausbringen in Gefahr», sagt sie. Sie lebt mit ihren zwei kleinen Kindern und ihrem Partner Giovanni in der kleinen norditalienischen Gemeinde Terlago in der Nähe von Trient und fürchtet sich vor Bären. «Ich erschrecke beim kleinsten Geräusch.»

In der Gegend läuft seit 16 Jahren das Projekt «Life Ursus», mit dem der Braunbär wieder angesiedelt wurde. Seit die ersten Bären aus Slowenien in die Region des Naturparks Adamello-Brenta gebracht wurden, hat sich die Population auf derzeit etwa 50 Tiere erhöht.

Aus der Alpenregion wanderte einst auch «Problembär Bruno» aus, der nach einem riesigen Medienrummel schlussendlich im Sommer 2006 in Bayern erlegt wurde. Auch die Schweiz gehört zum erweiterten Revier der Grossraubtiere. Erst vor wenigen Tagen wurde im südbündnerischen Misox ein Bär gesichtet (Wir berichteten).

«Die Angst bleibt»
Die Bären in Norditalien sind nicht immer friedlich. Im Juni hatte eine Braunbärin in der Nähe des ortes Terlago einen Jogger angefallen und schwer verletzt. Seitdem läuft die Suche nach «KJ2». Vergangenes Jahr hatte die Bärenmutter «Daniza» einen Pilzsammler verletzt. Als sie gefangen werden sollte, erwachte sie nicht mehr aus der Betäubung. Nicht erst seit diesen Vorfällen ist das Verhältnis zwischen Bewohner und Bär ziemlich angespannt. «Auch wenn ich weiss, dass es statistisch wahrscheinlicher ist, dass man von einem Auto angefahren wird als von einem Bären gefressen: Die Angst bleibt», sagt Dorfbewohnerin Panazzolo.

Bei der Provinzverwaltung hat man das Problem erkannt. «Die Unterstützung für die Wiederansiedlung war am Anfang viel grösser, nun überwiegt das Contra. Viele Leute haben Angst vor dem Bär. «Das ist ein Problem», sagt Claudio Groff, der bei der Autonomen Provinz Trient für Bären zuständig ist.

Die Kommunikation mit den Bewohnern müsse verbessert werden. Zudem verlangsame die Bürokratie zwischen dem Umweltministerium in Rom - das die Oberhand über Bärenentscheidungen hat - und der Provinz die Reaktion auf «Problembären». Auch sind die Schutzmassnahmen oft nicht effektiv. Tests an elektrischen Zäunen hatten zum Beispiel ergeben, dass viele nicht richtig funktionierten.

Problembären einfangen oder töten
Der Landtag im Trentino beschloss unlängst, der Bärenbestand müsse reduziert werden. Die rechtsextreme Partei Lega Nord, die in Norditalien fest verwurzelt ist, verlangt ein Referendum, das zeigen soll, wer für und wer gegen den Bären ist.

«Wir wissen sowieso, dass die Mehrheit gegen den Bären ist, ein Referendum wäre vollkommen überflüssig», sagt Bärenexperte Groff. Vielmehr müssten «die wenigen Problembären» konsequent aussortiert werden. «Diese Tiere nähern sich zu sehr dem Menschen und richten zu viele Schäden an.» Eine Möglichkeit sei, sie einzufangen, eine andere, sie zu erlegen - was Tierschützer auf die Barrikaden bringt.

Die Region sorgt sich auch um den Tourismus. «Natürlich gibt es auch unter Touristen Bedenken», sagt Groff. Aber diesen Sommer habe es einen Rekord bei den Touristenzahlen gegeben. Der Bär halte die Menschen also nicht von einer Reise ins Trentino ab.

Umweltschützer beklagen, dass sich der Mensch dem natürlichen Lebensraum des Bären zu sehr nähert. In der Region gehe es eher darum, neue Skipisten oder Wanderwege zu erschliessen, statt die Natur zu schützen. Für die Tierfreunde sind die – äusserst seltenen – Bärenangriffe vor allem auf das Fehlverhalten der Menschen zurückzuführen.