Der Klimawandel könnte es den Rentieren auf Spitzbergen leichter machen. In wärmeren Wintern finden sie mehr Nahrung – könnte man meinen. Leider ist dies ein Trugschluss.    

Ist der Winter wärmer, regnet es nämlich vermehrt auf die schneebedeckte Tundra. Das führt dazu, dass sich eine dicke Eisschicht über der Vegetation bildet. Die Rentiere auf Spitzbergen bilden die weltweit nördlichste Population ihrer Art. Sie sind hervorragend an die Kälte angepasst (lesen Sie hier mehr dazu). Doch gegen die Eisschicht auf dem Tundraboden sind sie machtlos. Sie können sie nicht durchbrechen, um an die Flechten, Gräser und kleinen Pflanzen zu kommen, die sie normalerweise mit ihren Hufen aus dem Schnee scharren und fressen.    

Dies berichteten norwegische Forscher im Fachjournal «Ecosphere» Ende April. Das Team um Brage Bremset Hansen untersuchte die ungefähr 20'000 Rentiere auf Spitzbergen von 2006 bis 2015. Die Forscher machten dabei eine Interessante Entdeckung: Um trotz Eisdecke an Nahrung zu kommen, fressen die Rentiere Seegras. Dabei korreliert der Anteil der Tiere, die dies tun positiv mit der Dicke des Eises. So wich in einem ganz besonders schlechten Winter ein Drittel der Population auf Seegras aus.    

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Dieses Rentier frisst angespülten Seetang.
  Bild: Hansen et al./CC BY 3.0

 

Rentiere können sich anpassen
Dennoch reichen die Algen allein nicht aus. «Die Tiere bewegen sich jeden Tag hin und her zwischen der Küste und den paar wenigen eisfreien Vegetationsflecken, es ist also offensichtlich, dass sie Seegras mit normaler Nahrung kombinieren müssen, was immer sie auch finden können», sagt Hansen gemäss einer Medienmitteilung.    

Ausserdem haben Seegras-Fresser öfter Durchfall, wahrscheinlich vom Salz, wie Hansen vermutet. Trotzdem helfen die Extrakalorien aus dem Meer den Tieren in eisigen Wintern, wenn Nahrung knapp ist, zu überleben. «Seegras zu fressen ist nicht ideal, aber es zeigt uns, dass die Rentiere fähig anpassungsfähig sind und das sind gute Nachrichten.»