Das erste Wolfsrudel der Schweiz, das seit 2012 im Gebiet des Calanda-Ringelspitz-Massivs lebt, verhalte sich «zunehmend problematisch», heisst es in einer Mitteilung der beiden Kantone. St. Gallen und Graubünden beantragen deshalb beim Bundesamt für Umwelt (Bafu) eine Abschussbewilligung für zwei Tiere.

Auf diese Weise sollen die Calanda-Wölfe «ihre Scheu vor dem Menschen wieder zurückerlangen». Bisher sei es noch nicht direkt zu gefährlichen Situationen für Menschen gekommen, heisst es. Immer öfter wagten sich aber einzelne Wölfe in Siedlungen vor und machten selbst vor Stalltoren, Gebäuden und Freilaufgehegen nicht Halt.

Abschuss soll Wölfe scheuer machen
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sollen diesen Winter zwei Tiere aus dem Rudel geschossen werden. «Nur wenn die Wölfe wieder scheuer werden, wird ein Zusammenleben dieser Grossraubtiere in der Kulturlandschaft Schweiz auch in Zukunft möglich sein», schreiben die beiden Kantone.

Rund zehn WölfeLaut dem Leiter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen, Dominik Thiel, besteht das Calanda-Rudel derzeit aus etwa zehn Wölfen. Es seien ein Elternpaar mit vier Jungen sowie drei bis fünf Jungtiere vom letzten Jahr, sagte Thiel der Nachrichtenagentur sda.

Der geplante Abschuss von zwei Tieren habe nichts mit Rissen von Nutztieren zu tun, erklärte der Amtsleiter. Laut Thiel haben die Calanda-Wölfe in diesem Jahr sieben Ziegen und ein Kalb gerissen. Das sind gemäss den Vorschriften des Bundes nicht genug Risse, um einen Abschuss zu begründen.

Kritik von Naturschutzorganisationen
Der WWF und Pro Natura kritisieren derweil das Vorhaben. In einer gemeinsamen Stellungnahme schreiben die beiden Naturschutzorganisationen, die Anfrage komme voreilig, die Fakten-Grundlage lasse sich nicht überprüfen, aber vor allem sei das Eintreten des erhofften Lerneffekts für die Wölfe äusserst fraglich.

Es sei nicht ungewöhlich und müsse nicht zwingend problematisch sein, dass Wildtiere nahe an Siedlungen herankommen, heisst es weiter. Die Verunsicherung der Bevölkerung müsse jedoch ernst genommen werden. Abschüsse dabei als wichtigste Massnahme einzusetzen, werde das Zusammenleben nicht vereinfachen. Es sei nicht bewiesen, dass Abschüsse von Jungwölfen zur Folge haben, dass ihre Familiengefährten das Verhalten ändern und scheuer werden.