Es ist ein Herbsttag der ungemütlichen Sorte. Kälte und ein dichter Nebel halten den Zürichberg fest im Griff. Doch der Ausweg, um der grauen Tristesse zu entfliehen, ist nicht weit. Er befindet sich im Zoo Zürich. Genauer gesagt im Masoala Regenwald. Ein paar Schritte vorbei an einem lebensgross inszenierten, singenden Buckelwal und man steht vor der Eingangtür, die einem den Zugang zu einer anderen Welt eröffnet. Einer Welt mit tropischen Verhältnissen, melodischem Vogelgezwitscher sowie einer Fülle an exotischen Pflanzen und Tieren.

Die sommerlichen Temperaturen wärmen sofort den Körper und lassen einen schnell Jacke, Mütze und Handschuhe ausziehen. Ebenso schnell wird einem warm ums Herz angesichts der paradiesisch anmutenden Umgebung. Nur die Augen sind am Anfang überfordert, weil sie nicht wissen, welchen optischen Reizen sie sich als Erstem hingeben sollen. Da hilft es, sich einen kleinen Überblick in erhöhter Lage auf dem Baumkronenweg zu verschaffen. Bis zur obersten Aussichtsplattform auf 18 Meter Höhe sind zwar einige Stufen zu bewältigen, aber der Aufstieg lohnt sich allemal. Nicht nur, weil der Ausblick die beeindruckenden Dimensionen der rund 11 Hektar grossen Halle verdeutlicht, sondern auch, weil man hier manchen Tieren näher kommt als vom Boden aus. Zum Beispiel den Rodrigues-Flughunden (Pteropus rodricensis), die nur wenige Meter entfernt süsse Früchte verköstigen.

Diese herrlichen Impressionen gilt es natürlich fotografisch festzuhalten. Wer sich dabei über einen grauen Schleier auf den Bildern wundert, sollte regelmässig die Linse putzen. Diese beschlägt nämlich sehr schnell bei einer Luftfeuchtigkeit von über 80 Prozent. Manchmal tropft es sogar von oben herab. Echtes Regenwald-Feeling eben!

[IMG 2]

Schüler, Rentner und Geschäftsleute

Nach diesen ersten imposanten Eindrücken zieht es den Redaktor wieder nach unten, um neue Wege zu erschliessen. Ein plätscherndes Gewässer zieht ihn magisch an und führt zu einer munteren, kleinen Entenschar und einer grossen Schildkröte, die keinen Wank macht. Das mindert das Interesse mancher Hobbyfotografen aber keineswegs. Wobei ihre gewaltigen Objektive vermuten lassen, dass es sich sogar um Profis handeln könnte. Sie sind nicht die Einzigen, die sich bereits kurz nach der Türöffnung in der Masoalahalle eingefunden haben. Wuselige Schülergruppen mit Quizzetteln sind auf der Suche nach Antworten so konzentriert und eifrig dabei, dass man aufpassen muss, von ihnen nicht über den Haufen gerannt zu werden. Gemütlicher nehmen es dagegen zwei Geschäftsleute, die ihre Blicke in die tropische Pflanzenwelt schweifen lassen und sich – offenbar davon inspiriert – über mögliche Investitionen austauschen.

Ein angeregter Austausch findet auch zwischen zwei Seniorinnen statt. Sie haben im Geäst einen leuchtend roten Vogel entdeckt und rätseln, um welche Art es sich bei dem zutraulichen Tierchen wohl handelt. Ein Zoo-Mitglied des Freiwilligenteams nimmt davon Kenntnis und hilft gerne weiter. Die beiden Damen haben einen Madagaskarweber (Foudia madagascariensis) bewundert, und zwar ein Männchen in seinem Prachtkleid. Dieses tragen die Sperlingsvögel nur zur Brutzeit. Sonst sind sie ähnlich wie unsere Hausspatzen bräunlich gefärbt.

Zahlen zur Halle Eröffnung: 30. Juni 2003 Planung & Bau: 11 Jahre Länge: 120 Meter Breite: 90 Meter Höhe: 30 Meter Fläche: 11 000 m2 Volumen: 200 000 m3 Kosten: 52 Millionen Franken Wasserbedarf im Sommer: 140 000 Liter pro Tag Wasserbedarf im Winter: 40 000 Liter pro Tag Wirbeltierarten: etwa 40 (rund 500 Tiere) Pflanzenarten: mehr als 500

Empfehlenswerte Ausstellung

Die farbenfrohe Begegnung mit dem bunten Vogel weckt die Lust auf weitere Entdeckungen. Dass dafür manchmal ein wenig Geduld und ein scharfer Blick nötig sind, macht die Expedition noch spannender und abenteuerlicher. Weitere Vogelarten, wie eine Madagaskar-Perlwachtel (Margaroperdix madagarensis), und diverse Insekten sind bald ausgemacht. Seinen persönlichen Favoriten, die Roten Varis (Varecia rubra), sucht der Schreibende jedoch vergeblich.

Also geht es erst einmal für einen Zwischenstopp in die an den Masoala Regenwald angrenzende Dauerausstellung. Hier dreht sich alles um die ostafrikanische Insel Madagaskar, die auch als achter Kontinent bekannt ist. Neben bedrückenden Informationen zur Abholzung des Regenwaldes und zum dunklen Kapitel der Kolonialzeit gibt es auch einige interaktive Stationen. Zum Beispiel eine Naturapotheke mit Schubladen, in denen bestimmte Heilpflanzen wie Hundsgiftgewächse stecken. Oder Plätze mit Kopfhörern, über die typische Märchen aus Madagaskar laufen. In den Hauptrollen: Krokodil, Borstenigel, Kardinalsvogel und Chamäleon.

Video: Präsentation der Tiere in der Masoala Halle

[IMG 3]

Auch der spielerische Charakter für Kinder kommt nicht zu kurz. Etwa beim Evolutionsspiel, bei dem es darum geht herauszufinden, welche Tierarten Madagaskars mit jenen der restlichen Welt zusammenpassen und einen vergleichbaren Nahrungserwerb haben. Ob die in den Aquarien und Terrarien des Informationszentrums lebenden Fische und Schlangen dabei auch eine Rolle spielen, wird an dieser Stelle nicht verraten. Sie genauer unter die Lupe zu nehmen, ist aber auf jeden Fall empfehlenswert.

Apropos beobachten: Die Hoffnung, einen Roten Vari zu erspähen, lebt auch auf dem Rückweg durch den Masoala Regenwald noch. Und tatsächlich, unweit vom Ausgang direkt unter dem 30 Meter hohen Hallendach turnen gleich zwei der rotbraunen Lemuren herum. Sie von Ast zu Ast springen zu sehen, ist ein Augenschmaus. Umso schwerer fällt es, von ihnen und der wohligen Wärme Abschied zu nehmen. Zumal es draussen immer noch kalt und neblig ist. Als kleiner Lichtblick lässt sich die Sonne immerhin erahnen. Noch schöner ist es, dass die Masoalahalle (fast) jederzeit offensteht, um der kalten Jahreszeit für ein paar Stunden zu entfliehen.

Masoala Regenwald, Zürichbergstrasse 221, 8044 Zürich, Tel. 044 254 25 00. Öffnungszeiten bis Ende Februar: täglich 10 – 17 Uhr; ab März 10 – 18 Uhr. www.zoo.ch