Friedlich liegen sie bei ihrer Mutter Lin, die beiden am 29. April 2020 im Walter Zoo in Gossau SG geborenen Löwenjungen. Ein bisschen spielen, ein bisschen schlafen, sich von Mama ablecken lassen – das kleine Weibchen und das kleine Männchen tun das, was junge Kätzchen eben so tun. Gleich dahinter wacht Tante Jumina. Sie passt gut auf, dass Vater Atlas den Kleinen nichts tut.

Und dieser denkt, so scheint es, auch überhaupt nicht daran. Neugierig nähert er sich seinem Nachwuchs und stupst ihn an. Vorsichtig stupsen die Kleinen zurück. Dann jedoch legt Atlas sich mit kleinem Abstand neben seine Familie. Alle Löwen schliessen entspannt die Augen. Nach so viel Aufregung müssen sie nun dringend eine Runde schlafen.

Im Video erzählt Karin Federer vom Zwischenfall, der zur Trennung der Löwenfamilie führte

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Die grossen und kleinen Zuschauer sind von der herzigen Löwenfamilie begeistert – und auch die Zooverantwortlichen freuen sich. Denn dass die Zusammenführung mit Vater Atlas so gut klappen würde, war nicht selbstverständlich, hatte er doch beim ersten Kennenlernen eines seiner Jungtiere leicht verletzt («Tierwelt online» berichtete). «Wir sind überzeugt, dass er es nicht böse gemeint hat. Er hätte das Baby problemlos töten können, wenn er das gewollt hätte», sagt Zoodirektorin Karin Federer.

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Keine Zwischenfälle
Um alle Risiken zu vermeiden, hielt man Atlas aber fortan vom Rest der Familie getrennt. Lin konnte sich in der Zeit an ihre Rolle als Mutter gewöhnen und auch die Kleinen seien wehrhafter geworden, erklärt Federer. Vor fast zwei Wochen war dann der Zeitpunkt für einen neuen Versuch gekommen. «Es war ein grosser Moment», freut sich Federer. «Wir waren aber natürlich schon etwas angespannt, als wir den Schieber zwischen den Gittern öffneten.»

Doch dieses Mal klappte alles bestens. Atlas und die Kleinen nähern sich einander vorsichtig an und haben nun viel Zeit, sich immer besser kennenzulernen. Da Löwen im Rudel leben, können die Jungtiere einige Jahre bei den Eltern bleiben, bevor ein neues Plätzchen für sie gefunden werden muss. Und wer weiss, vielleicht leistet eines von ihnen dereinst auch einen Beitrag an den Erhalt ihrer Unterart.

Denn bei den Löwen im Walter Zoo handelt es sich um Berberlöwen, eine Unterart, die einst vom Atlasgebirge über den Maghreb bis nach Ägypten heimisch war, in den 1940er-Jahren in freier Wildbahn aber ausgerottet wurde. In Zoos leben noch etwa 150 der seltenen Tiere. «An eine Wiederansiedlung ist bei den Berberlöwen noch nicht zu denken», sagt Federer. Dafür müsse der Lebensraum vorhanden und geschützt sowie die Bevölkerung bereit sein. «Von beidem sind wir in diesem Fall noch weit weg.»

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Noch keine Namen
Als der Walter Zoo 2018 die neue Löwenanlage baute, habe man sich einerseits wegen dem steilen Gelände und den klimatischen Bedingungen für Berberlöwen entschieden. «Andererseits ist es auch einfach eine schöne Unterart und wir wollten den Besuchern zeigen, dass es auch Löwen-Unterarten gibt, die bereits ausgestorben sind.» Damit rückt auch die Dringlichkeit des Schutzes der verbliebenen Populationen mehr ins Bewusstsein.

Namen haben die beiden Babys übrigens noch keine. Damit sie bald welche bekommen, startet der Hauptsponsor des Walter Zoos ab dem 5. Oktober 2020 einen Wettbewerb. Die Namen müssen mit dem Buchstaben A anfangen und zum Herkunftsgebiet der Berberlöwen – also Nordafrika – passen. Bei Vater Atlas passt der Name also schon bestens. Man darf gespannt sein, was bei den Kleinen herauskommt.