Ganz sorgfältig wacht die Mutter über ihren Nachwuchs. Wie in der freien Wildbahn hat sie den Unterschlupf für die Jungen mehrmals gewechselt. Auf junge Wildkatzen würden in der Natur viele Fressfeinde wie Luchs, Fuchs, Baummarder oder Uhu lauern. «Wir haben sie dabei so wenig wie möglich gestört», sagte Tierparkdirektor Michel Gauthier-Clerc am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Der Tierpark beherbergt seit Februar 2019 Wildkatzen – einen Kater und zwei Kätzinnen. Vergangenes Jahr hat eines der Weibchen geworfen, aber die Jungen überlebten nicht. In diesem Jahr wurden fünf Kätzchen geboren und bisher geht es diesen prächtig. «Beim Werfen kommt es häufig zu Todesfällen», erklärt der Tierparkdirektor. Aber im Alter von fast einem Monat haben die Kätzchen bereits eine kritische Phase überschritten. «Bislang ist alles in Ordnung», sagte Gauthier-Clerc.

Die Jungen werden nach zwei bis drei Monaten allmählich von der Mutter entwöhnt. Ihre Zukunft steht noch nicht fest. Wahrscheinlich werden sie in einen anderen Tierpark in Europa transferiert, aber es ist noch nichts entschieden. «Ich mache mir um die Platzierung keine Sorgen», sagte Gauthier-Clerc.

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Fast ausgerottet
Wie fast alle Beutegreifer wurde die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) von den Menschen während Jahrhunderten erbarmungslos verfolgt. Dies führte dazu, dass die «Waldkatze», wie das scheue Tier auf lateinisch heisst, in der Schweiz fast ausgerottet worden wäre. Doch seit 1963 ist die Tierart geschützt und hat sich seither wieder ausgebreitet. Pro Natura hat die Wildkatze «als Botschafterin für wilde Wälder, deckungsreiche Kulturlandschaften und wirkungsvollen Naturschutz» zum Tier des Jahres 2020 gewählt.

Heute beherbergt der Schweizer Jura grossflächig Wildkatzen. Dort finden die Tiere wilde Wälder mit vielfältigen Strukturen, ihren ursprüngliche Lebensraum vor. Auf etwa 450 bis 900 Exemplare wird die Population geschätzt. In den vergangenen Jahren haben sich einige Tiere im Seeland angesiedelt. Pro Natura sieht gute Chancen, dass die Wildkatze bald über das Mittelland die Voralpen erreicht.

Die geschmeidige Jägerin ernährt sich hauptsächlich von Mäusen und anderen Nagern sowie von Vögeln. Viele Stunden verschläft sie im sicheren Versteck. Die diskrete Wildkatze in freier Natur zu beobachten, ist äusserst schwierig.

Vermischung als Gefahr
Die rund 1,6 Millionen Hauskatzen (Felis catus) in der Schweiz stammen nicht von der Europäischen Wildkatze ab, wie man vielleicht vermuten könnte. Vielmehr gehen unsere Stubentiger genetisch auf die afrikanisch-asiatische Wildkatze zurück, auch Falbkatze (Felis lybica) genannt.

Mit den Römern gelangten die Hauskatzen vor rund 2000 Jahren in unsere Breitengrade. Die Wissenschaft sieht diese drei Katzentypen heute als eigenständige Arten. Hauskatzen und Wildkatzen können sich allerdings paaren und fortpflanzungsfähige Junge gebären. Für die Arterhaltung ist die genetische Vermischung mit Hauskatzen heute eine der grössten Gefahren.

Auf den ersten Blick könnte man eine grau- oder cremefarbene Hauskatze mit einer Wildkatze leicht verwechseln. Durch das dichte, langhaarige Fell wirkt jedoch die Wildkatze im Körperbau massiger. Ihr Schwanz ist länger und buschig, mit stumpfem schwarzem Ende, oft mit zwei bis drei deutlichen schwarzen Ringen.