Ein kleiner Hund ist doch kein richtiger Hund!» – Diese Ansicht ist weit verbreitet. Allerdings kommt bei jedem Hundehalter irgendwann der Zeitpunkt, an dem er dieses Vorurteil überdenken muss. Dann nämlich, wenn man älter wird und sich unweigerlich die Frage stellt: Welcher Hund soll mich im Alter begleiten? 

Diese Frage stellte sich auch der über 70-jährige René Krebs?*. Er war früher oft mit seiner Schäferhündin Lara unterwegs und lief mal hier, mal da mit seiner Hündin für einen Schwatz mit anderen Hundehaltern mit. Als seine Hündin starb, musste es wieder ein Schäferhund sein – etwas anderes kam für Krebs nicht infrage. Und so holte er Mailo, einen dreijährigen Schäfer, aus dem Tierheim zu sich. Doch Mailo hat einen anderen Charakter als Lara. Er ist ein Einzelgänger und verträgt sich nicht mit anderen Hunden. So geht Krebs heute alleine; andere Hundehalter weichen ihm aus, weil sie keine Konfrontation möchten. Und es stellt sich die Frage, was in sechs, sieben Jahren ist. Denn Krebs ist jetzt schon nicht gut zu Fuss und kämpft mit seiner Arthrose. Hat er sich das gut überlegt mit Mailo? Krebs zögert mit der Antwort und meint schliesslich, dass er es keinen Moment bereut, dass er Mailo aus dem Tierheim geholt habe, das Tier habe es schliesslich verdient.

Entscheidung für die Zukunft
Sich im Alter einen Hund zuzulegen, will gut überlegt sein. Dafür plädiert auch Sachbuchautorin Manu Wirtz. In ihrem Taschenbuch mit dem Titel «60 plus Hund: Der geeignete Hund für die späten Jahre» setzt sie sich genau mit dieser Thematik auseinander – und ist überzeugt: Mitleid ist ein schlechter Ratgeber bei der Auswahl des Hundes. Die darf zwar von Gefühlen geleitet sein, aber man sollte am Ende vor allem die Vernunft walten lassen. Wer immer grosse Hunde an seiner Seite hatte, kann es sich schlecht vorstellen, mit Zwerghündchen laufen zu gehen. Wenn wir aber aufs Alter zugehen, müssen wir diese Vorurteile überdenken. «Es hilft niemandem – dem Hund am allerwenigsten –, wenn man im Überschwang der Gefühle einen Hund anschafft und dann erst feststellt, dass man sich nicht richtig um ihn kümmern kann», schreibt Wirtz.

Liste der tierfreundlichen Alters- und Pflegeheime
Typisch für die Schweiz ist, dass die Möglichkeit der Hundehaltung in einem Altersheim nicht nur von Gemeinde zu Gemeinde verschieden ist, sondern manchmal von Altersheim zu Altersheim. Curaviva, der Verband der Heime und Institutionen der Schweiz, führt ein aktuelles Verzeichnis von Altersheimen, welche Tierhaltung zulassen. Über die Suchfunktion kann man in der Rubrik «Haustiere» das gewünschte Tier ankreuzen und erhält dann direkt eine Liste derjenigen Heime und Institutionen, welche die gewünschte Tierhaltung zulassen oder in Betracht ziehen.
www.heiminfo.ch

Nicht wie man sich zum jetzigen Zeitpunkt fühle, sondern wie es einem in ein paar Jahren gehen könnte, sei die Frage, die man sich stellen müsse. Denn nicht nur wir werden älter, sondern auch der Hund: «Es sollte für Sie ‹leicht› sein, Ihren Hund auch in der Zukunft noch halten oder tragen zu können», und dies sei wörtlich gemeint, insistiert Wirtz. Denn auch der Hund kenne Altersbeschwerden und müsse dannzumal die Treppen hochgetragen werden. Wenn der Halter dazu nicht mehr fähig sei, beispielsweise wegen eigener Rückenprobleme, so stehe er plötzlich vor der schweren Entscheidung, sich vom Hund trennen zu müssen. 

Wirtz weist in ihrem Buch darauf hin, dass es von vielen Rassen verwandte oder ähnliche Kleinformate gibt: «Kleinspitz statt Samojede, Shiba Inu statt Chow-Chow, Mops statt Boxer.» Im Kapitel «Welche Rasse passt zu mir?» werden 23 Hunderassen mit einer Höhe von maximal 40 Zentimetern einzeln vorgestellt, mit ihren Vorzügen, aber auch mit ihren Bedürfnissen, vom Bichon Frisé, über den Jack Russell Terrier bis hin zum Zwergschnauzer.

Selbstredend brauchen auch kleine Hunde ausgiebige Zuwendung und Spaziergänge. Aber ihr Bewegungsradius ist doch kleiner und «er wird Sie nicht von den Füssen reissen, wenn er einmal in die Leine springt», argumentiert Wirtz. Auch in Sachen Persönlichkeit stünden die Kleinen den Grossen in nichts nach. Im Gegenteil: «Mitunter entsteht eher der Eindruck, dass sie davon sogar mehr haben, als ihrer Statur angemessen ist.»

Wirtz kennt ausserdem die einschlägigen Studien, die sich mit der Wirkung von Hunden auf ältere Menschen auseinandersetzen. Die vielen guten Einflüsse fasst sie schliesslich so zusammen: «Für viele Wehwehchen im Alter gibt es Medikamente, aber keines gegen die Langeweile oder Einsamkeit.» 

Positive Wirkung bestätigt
Dieses Wissen ist heute auch in der Altersbetreuung angekommen. Man weiss von der positiven Wirkung von Hunden auf alte, insbesondere auch auf demente Menschen und Alzheimerpatienten. So ist der Besuch mit Hunden heute in manchen Altersheimen nicht nur erlaubt, sondern gern gesehen (siehe Kasten). In manchen Institutionen ist es heute möglich, mit seinem Hund zu leben. Voraussetzung ist, dass man rundum selbst für sein Tier sorgen kann oder Verwandte oder Bekannte hat, die garantieren, für das Tier zu sorgen, sollte man unpässlich werden.

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Manu Wirtz: «60 plus Hund: Der geeignete Hund
für die späten Jahre», Taschenbuch, 127 Seiten,
Verlag: Oertel + Spörer, ISBN: 978-3-88627-861-9,
ca. Fr. 22.–.
  Bild: zvg

Die stellvertretende Leiterin Pflege und Betreuung im Alterszentrum Kreuzlingen im Thurgau, Pia Arnold, kennt nicht nur diesbezügliche Literatur, sondern auch den positiven Einfluss von Hunden aus ihrer täglichen Arbeit: «Allerdings wird jede Aufnahme mit Hund gründlich geprüft.» In ihrem Alterszentrum gebe es des Weiteren zwei Katzen, Mäuse, Vogelvolieren und Aquarien, und auch ausgebildete Therapiehunde machten gute Dienste.

In den 25 Altersheimen der Stadt Zürich sind Hunde grundsätzlich erlaubt, sagt die Pressesprecherin Alterszentren Stadt Zürich, Lena Tobler: «Wichtig ist, dass ein Hund auch im Altersheim artgerecht leben kann und dass er die anderen Bewohnerinnen und Bewohner nicht stört.» Ihr ist aber kein einziger Fall bekannt, wo es zu Problemen gekommen wäre. 

Für die Haltung eines Hundes im Alter spricht sehr viel. Das weiss jeder Hundeliebhaber. Gegenargumente sollte man aber nicht vom Tisch wischen. Ein gründliches Prüfen von Pro und Kontra ist man sich und dem Tier schuldig. Eine gute Grundlage für dieses Abwägen ist das Buch von Wirtz. «60 plus Hund» ist eine veritable Fürsprache für die Haltung von Hunden im Alter. Kapitel für Kapitel werden Themen angeschnitten, die dabei relevant sind. Von der Auswahl des Hundes, über mögliche Krankheiten, kleine Erziehungsratschläge, nützliche Tipps und Tricks, bis hin zum Thema Umgang mit Tod und Trauer. 

Das Buch liest sich leicht, und man spürt Zeile für Zeile, dass die Autorin die Tiere kennt und liebt – für die späten Jahre allen voran die Kleinen. So ist «60 plus Hund» ein guter Ratgeber – letztlich nicht nur für ältere Menschen, sondern ganz allgemein für Menschen, die sich die Haltung eines Hundes überlegen. Selbst Menschen, die schon ihr Leben lang einen Hund hatten, möchte man dieses kleine Büchlein wärmstens empfehlen. Denn bekanntlich schützt Alter vor Torheit nicht.