Miriam Schneider ist in Sorge. Seit zwei Wochen wirkt ihr Kater Berti ständig schlapp. Normalerweise ist sein Appetit nicht zu bremsen, aber seit 14 Tagen frisst er schlecht. Trotzdem wird sein Bauch immer dicker. Schneider geht mit Berti zum Tierarzt. Der stellt fest, dass der drei Jahre alte Stubentiger Flüssigkeit im Bauch hat. Ein schlimmer Verdacht steht im Raum. Könnte Berti FIP haben?

FIP ist eine Abkürzung. Sie steht für «Feline (= die Katze betreffende) Infektiöse (= ansteckende) Peritonitis (= Bauchfellentzündung)». Ursache dafür ist ein Virus, das Experten zu den Coronaviren zählen. In fast jedem Tierheim und beinahe jedem Mehrkatzenhaushalt sind sie nachweisbar. Auch Berti lebt daheim mit drei anderen Katzen zusammen. Etwa drei Viertel aller Schweizer Katzen tragen Coronaviren in sich.

Das Virus im Körper zu haben, ist noch nicht gefährlich. Nach der Ansteckung wandert es in den Darm. Meistens bleibt es dort, ohne weiteren Schaden anzurichten. Nur manchmal, man weiss bis heute nicht warum, geht es heimtückisch vor. Das Virus verändert seine Gestalt und wandert in den Blutkreislauf. Das passiert vor allem bei Tieren, deren Immunsystem nicht gut funktioniert, die etwas angeschlagen sind. Das war auch bei Berti so. Er hatte vor einigen Monaten mit einer juckenden Hautkrankheit zu kämpfen und bekam eine Cortisontherapie.

Die mutierten Viren wandern
Die plötzliche Veränderung des Virus nennen Mediziner Mutation. Nur diese mutierten Viren lösen FIP aus. Etwa fünf Prozent aller Katzen, die Coronaviren in sich tragen, erkranken später an FIP. Die Symptome sind sehr unterschiedlich. Das macht es Tierärzten nicht gerade leicht, eine Diagnose zu stellen.

Wenn Viren im Darm einer Katze mutiert sind, wandern sie durch den ganzen Körper und richten an vielen verschiedenen Stellen Unheil an. In der Milz sind sie zu finden, auch in der Leber und nach zwei Wochen sogar im Gehirn, im Rückenmark und in den Augen. Fieberschübe, Organveränderungen und chronischer Gewichtsverlust sind wichtige Hinweise für FIP. Innerhalb weniger Wochen wird die Katze schwer krank. Ein Viertel aller an FIP leidenden Katzen zeigt schwere Nervenleiden. Die Pupillen scheinen zu zittern, manchmal der ganze Kopf. Bewusstseinsstörungen und Anfälle können auftreten.

Meistens sind Tiere im Alter von sechs Monaten bis zu vier Jahren betroffen. Bertis mit Flüssigkeit gefüllter Bauch ist ebenfalls ein häufiges Indiz. Die Flüssigkeit kann punktiert und untersucht werden. Das erspart bei der Diagnostik in der Regel viel Zeit und Geld im Vergleich zu den Bluttests. Zwar gibt es einen FIP-Test, bei dem Antikörper gemessen werden, in Wahrheit aber misst dieser Test nur die Antikörper gegen das ursprüngliche Coronavirus. Darum kann ein FIP-Test in unterschiedlichen Fällen positiv ausfallen:

1. Die Katze hatte kürzlich eine harmlose Coronavirus-Infektion, inzwischen sind die Viren längst aus dem Körper verschwunden, aber die Antikörper sind noch da.

2. Die Katze hat aktuell eine harmlose Coronavirus-Infektion.

3. Die Katze ist geimpft und hat darum Antikörper.

4. Die Katze hat tatsächlich FIP.

Im Endstadium der Krankheit kann der Bluttest sogar negativ ausfallen. Grund: Die Antikörper sind nicht mehr messbar, weil die Viren überhandgenommen haben. So kommt es zustande, dass zehn Prozent der Katzen mit FIP im Test als FIP-freie Tiere durchrutschen. Erst verschiedene Laboruntersuchungen, die miteinander kombiniert werden, ergeben zusammen mit dem klinischen Krankheitsbild eine gesicherte Diagnose.

Medikamente machen das Leid erträglich
Selbst mit Vorsorgemassnahmen sieht es schlecht aus, denn auch die Ansteckung hat ihre Tücken. Schnuppert Minki am Kot von Stupsi, kann das zunächst harmlose Coronavirus schon übergesprungen sein. Wie die Sache weitergeht – Mutation im Darm oder nicht – lässt sich nicht vorhersagen. Berti ist Freigänger. Und weil er mit anderen Katzen zusammenlebt, könnte er sich an etlichen Stellen angesteckt haben.

Eine Behandlung mit Medikamenten kann die Symptome meist mildern, allerdings höchstens für ein paar Monate. Jene Mittel, die tatsächlich gegen das Virus wirken würden, haben so schwere Nebenwirkungen bis hin zur Auflösung der roten Blutkörperchen, dass sie den Katzen mehr schaden als nutzen. Wer betroffenen Tieren noch etwas Lebenszeit gönnen möchte, sollte sie so angenehm und stressfrei wie möglich gestalten. Abenteuer im Freien können diese Katzen nicht mehr bestreiten, aber vielleicht geniessen sie noch Streicheleinheiten auf dem Sofa. Manchmal ist es aus Sicht des Tierschutzes aber besser, sie einzuschläfern.

Ein Impfstoff, der auf dem Markt erhältlich ist und der Katze über die Nase verabreicht werden kann, sollte bei Haltern keine falschen Hoffnungen wecken. Die Wirkung ist selbst in wissenschaftlichen Kreisen äusserst umstritten, und darum wird die Impfung generell nicht empfohlen. Züchter, die einen coronafreien Bestand anstreben, sollten ebenfalls nicht impfen, weil sich im Nachhinein nicht mehr feststellen lässt, ob die Antikörper im Blut der Katzen von einer Infektion oder von einer Impfung stammen.

Eine Frage des Schicksals
Wenn eine Katze, die allein gehalten wurde, an FIP stirbt, empfiehlt es sich, Zeit verstreichen zu lassen bis ein neuer Stubentiger einzieht. Spielzeug, Decke, Kratzbaum – alles muss gründlich gereinigt, im Idealfall desinfiziert werden. Bei Raumtemperatur bleiben die Viren auf allen Oberflächen rund sechs Wochen lang infektiös. Um sicher zu gehen, dass sich eine neue, junge Katze nicht sofort wieder ansteckt, raten Experten zu drei Monaten Wartezeit.

Berti starb nach nur acht Wochen. Das ist nun ein Jahr her. Die drei anderen Katzen, die mit ihm zusammenlebten, sind bis heute fit und gesund. Besitzerin Miriam Schneider hat die drei testen lassen. Sie alle haben Antikörper gegen Coronaviren in sich. Ob noch eines ihrer Tiere FIP bekommen wird, ist trotz aller medizinischer Fortschritte allein eine Frage des Schicksals.