Wer Katzen liebt, tut das nicht zuletzt, weil sie bekannt sind für ihre Eigenständigkeit. Das entbindet einen Halter jedoch nicht von der Verantwortung und gewissen Pflichten dem Tier gegenüber. Die Frage ist nur: Was ist wirklich unverzichtbar, damit es dem Stubentiger gut geht? Was kann, aber muss man nicht tun und was ist übertrieben? Denn die heutige Fülle von Ratgeberbüchern und -zeitschriften zum Thema Katzenhaltung macht eher ratlos denn klüger. Da kann leicht das Gefühl aufkommen, eine Katze zu halten, erfordere etwa den gleichen Einsatz wie ein Kind. 

Sich mit ihr zu beschäftigen heisst nicht mehr einfach, mit einer Schnur oder einer Papierkugel zu spielen. Nein, da gibt es von pädagogisch wertvollen Lernprogrammen für die Katz bis zum Hochleistungssport namens Cat Agility alles. Eine Katze richtig füttern erfordert das Studieren und Abwägen verschiedener Ernährungstheorien. Es gibt sogar Anweisungen, wie der fleischfressende Räuber zu einem Vegetarier umerzogen werden soll. Auch in Sachen Körperpflege reicht die Katzenwäsche längst nicht mehr. Selbst ein hundskommunes, kurzfelliges Büsi soll gebürstet und gekämmt werden, und selbstverständlich darf das tägliche Zähneputzen nicht vergessen gehen. Muss das alles wirklich sein? Wir haben jemanden gefragt, der es wissen muss: Dennis C. Turner, den wohl bekanntesten Katzenexperten unserer Zeit. 

Herr Turner, muss der Katzenhalter …

… die Katze beschäftigen? 
Eine gegenüber Menschen sozialisierte Katze ja, vor allem, wenn sie alleine gehalten wird. Bei zwei oder gar drei Katzen gilt das etwas weniger. Ganz wichtig ist die Beschäftigung für Wohnungskatzen. Was heisst nun aber beschäftigen? Jede Katze ist auch Jägerin, also rennt wohl jede einer Schnur nach, an die man einen Korkzapfen oder Ähnliches gebunden hat. Junge sowieso, aber wir reden jetzt von erwachsenen Katzen. Und da gibt es grundsätzlich zwei  Persönlichkeitstypen: solche, die richtig gerne spielen, und solche, die als «Beschäftigung» lieber Körperkontakt zum Menschen haben, sich von ihm streicheln und kraulen lassen. Gut ist eine dem Katzentypus angepasste Beschäftigung, man sollte eine Katze nicht zu etwas zwingen.

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 Turner & Bateson, «The Domestic Cat», gebunden, 279 S.,
 Verlag: Cambridge University Press, ISBN 978-1-107-02502-8, ca. Fr. 59.-  

… ihre Krallen schneiden?
Bei einer Katze mit Auslauf und/oder mit Kratzgelegenheit drinnen, ist das nicht zwingend. Sie kann die Krallen auf natürliche Weise abnützen und auch jeweils die Krallenschutzhülle abstreifen. Bei weniger aktiven Senioren kann es helfen, die Krallen zu schneiden. Aber das sollte man einem Profi überlassen, dem Tierarzt oder einer Tierpflegerin. Man könnte die Katze sonst verletzen.  

… ihr die Zähne putzen?
Nein. Aber ist man mit der Katze aus irgendeinem Grund beim Tierarzt, kann man ihn bei dieser Gelegenheit auch noch die Zähne anschauen und mit einer leichten Narkose den Zahnstein entfernen lassen. Einer Katze täglich mit der Zahnbürste zu Leibe zu rücken, halte ich für übertrieben.

… regelmässig mit ihr zum Tierarzt?
Unbedingt, sicher einmal pro Jahr. Zur Impfung und aber auch zur Kontrolle ihres Gesundheitszustands. Dank der guten ärztlichen Versorgung leben heute die Katzen viel länger als früher. Und das sind wir unseren Katzen, die uns so viel geben, schuldig. Das haben sie verdient. 

… ihr Frischfleisch verfüttern?
Nein. Man kann ihr gelegentlich Frischfleisch geben, wenn man will. Aber die industriell hergestellte Vollnahrung hat alles, was eine Katze braucht. Deren Zusammensetzung basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen – auch von unabhängigen Wissenschaftlern. 

… ihr zwingend Nassfutter geben oder tuts auch Trockenfutter?
Trockenfutter ist für den Halter unbestritten bequemer. Fraglich ist, ob es für die Katze als Alleinfutter auch gut ist. Früher konnte man klar verneinen, weil Trockenfutter häufig die Ursache für Harnwegs- und Nierenprobleme war. Seit es bei der Herstellung auch mit Fett besprüht wird, ist dieses Risiko gebannt. Aber in verschiedenen Forschungsprojekten hat man bei Katzen, die ausschliesslich mit Trockenfutter ernährt werden, eine Tendenz zu Übergewicht festgestellt. Es wird vermutet, dass die natürlichen Steuerungsmechanismen für das Sättigungsgefühl weniger gut funktionieren. Beim Feuchtfutter hat die Katze offenbar eher das Gefühl, richtig gefressen zu haben. Meine Empfehlung ist deshalb immer noch, zwischen feucht und trocken abzuwechseln. Oder zum Feuchtfutter ein bisschen trockenes dazuzugeben.

… beim Fertigfutter auf Angaben zum Alter der Katze achten?
Es gibt ja immer mehr Spezialfutter. Was Senioren und Jungkatzen betrifft, kann das wegen deren unterschiedlichem Proteinbedarf noch einigermassen sinnvoll sein. Und von mir aus auch, wenn das Futter auf das Aktivitätsniveau und das Temperament der Katze abgestimmt ist. Aber von speziellem Diätfutter halte ich eher wenig, da finde ich das Motto «FdH» – Friss die Hälfte – immer noch die beste Methode zur Gewichtsreduktion. Wie beim Menschen auch. 

… ihr zusätzliche Vitamine verabreichen?
Nein. Ausser, man füttert die Katze nach dem sogenannten Barf-System mit rohem Fleisch. Dann kann es zu Mangelerscheinungen kommen, wenn man sie nicht zusätzlich mit Spurenelementen und Mineralstoffen versorgt. Aber in der üblichen Fertignahrung ist das alles drin. 

… ihr die ganze Wohnung zur Verfügung stellen?
Nein, aber fast die ganze Wohnung. Wichtig ist, dass die Katze Rückzugsmöglichkeiten hat, wenn sie keinen Kontakt mit anderen Bewohnern des Haushalts, ob Mensch oder Tier, haben möchte. Man kann ihr durchaus beispielsweise das Schlafzimmer verschliessen, wenn noch andere Räume zur Verfügung stehen. Aber sie sollte nicht auf einen einzigen eingeschränkt werden. 

… bei einer kürzeren Abwesenheit von beispielsweise einem Wochenende jemanden organisieren, der sie betreut?
Grundsätzlich gilt bei Abwesenheit: Eine der Katze vertraute Person sollte die Betreuung übernehmen. In Ausnahmefällen kann man vielleicht einmal eine Nacht wegbleiben und ihr den Napf mit Trockenfutter und genügend Wasser bereitstellen. Zudem sollte einer Katze, die Auslauf hat, die Katzenklappe frei zugänglich bleiben. Aber es geht ja nicht nur ums Futter allein, es besteht immer das Risiko, dass etwas passiert. Deshalb plädiere ich eigentlich immer für die Organisation einer Betreuungsperson, die zudem für den Notfall über die wichtigsten Telefonnummern verfügt – diejenige, über die der Halter erreichbar ist, ebenso wie die des Tierarztes. Und die Katze einsperren ist auch keine Lösung, weder bei einer Wohnungskatze noch bei einer Freigängerin. Im Gegenteil, das halte ich für problematisch. 

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Der «Katzenpapst»

Der amerikanisch-schweizerische Biologe Dennis C. Turner erforscht seit Jahrzehnten die Katzen. Sein besonderes Augenmerk richtet er dabei stets auf die Beziehung zwischen Mensch und Katze. 1991 gründete er das Institut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie in der Nähe von Zürich, das unter anderem Fachleute für die tierpsychologische Beratung ausbildet. An der Uni Zürich lehrt er als Privatdozent Verhaltenskunde der Kleintiere und an der Azabu-Universität in Japan hat er eine Professur für tiergestützte Therapie. Turner hat mehrere populär-wissenschaftliche Bücher über Katzen veröffentlicht, die meisten wurden Bestseller. Eines davon, «Die domestizierte Katze», das er gemeinsam mit dem britischen Verhaltensforscher Patrick Bateson verfasst hat, gilt als die Bibel für Katzenhalter. Es ist gerade neu überarbeitet in dritter Auflage erschienen, vorläufig erst in englischer Sprache.