Sie gehört zu den letzten grossen Rätseln der Tiermedizin: Die Equine Grass Sickness (Graskrankheit) verdankt ihren Namen der Tatsache, dass fast ausschliesslich Weidetiere erkranken. Schon 1907 wurden in Schottland die ersten Fälle dokumentiert. In den frühen 1920er-Jahren starben auf den Britischen Inseln so viele Pferde an der tückischen Krankheit, dass sie angeblich sogar zum Siegeszug der Traktoren beigetragen hat. Doch bis heute wurde ihre Ursache nicht identifiziert. 

Fest steht, dass die Equine Grass Sickness Nervenzellen zerstört und dadurch Magen, Speiseröhre und häufig auch den Schlund lähmt. Erkranken können Pferde und Ponys aller Rassen sowie Esel. Hauptsächlich betroffen sind zwei- bis siebenjährige, gut im Futter stehende Tiere. Am höchsten ist das Risiko in Grossbritannien, aber auch in der Schweiz, Deutschland und anderen europäischen Ländern kommt die Krankheit vor. 

Eine Therapie kann helfen 
Die sichere Diagnose wird oft erst bei der Obduktion anhand der für die Graskrankheit typischen Gewebeschäden in Nervenknoten und Darm gestellt. Ein Schnelltest mit speziellen Augentropfen gilt aber als wichtiges Indiz: Ist das Pferd erkrankt, heben sich am behandelten Auge innerhalb einer halben Stunde die Wimpern des Oberlides. Ansonsten sind die Symptome unspezifisch und erinnern an leichte bis schwere Koliken. 

Beim akuten Krankheitsverlauf verschlechtert sich der Zustand der Patienten schnell. Sie können nicht äpfeln, sind benommen, schwanken, haben einen erhöhten Puls und auffällig viel Speichelfluss, zeigen Muskelzittern und Schluckbeschwerden. In einigen Fällen kommt aus den Nüstern übel riechende Flüssigkeit. Alle akut betroffenen Pferde sterben innerhalb weniger Tage. Hoffnung auf Heilung gibt es nur bei der chronischen Equine Grass Sickness, bei der das Pferd unter leichten Koliken leidet, abmagert und einen zunehmend aufgezogenen Bauch zeigt.

Einen einigermassen guten Allgemeinzustand, einen gewissen Appetit und Lebenswillen des Pferdes vorausgesetzt, kann bei solchen Tieren eine Therapie Sinn ergeben. Der Equine Grass Sickness Fund, der sich für die Erforschung der Krankheit einsetzt, berichtet, dass die Behandlung, bei der die Symp­tome unter anderem mit Schmerzmitteln und Appetitanregern bekämpft werden, zeitaufwendig, schwierig und nervenaufreibend sei. Rund die Hälfte der behandelten Pferde überlebe, ein Grossteil davon ohne Folgeschäden.

Suche nach dem Schuldigen
Chancen, die Graskrankheit gezielter und mit besserer Prognose zu therapieren,oder ihren Ausbruch im besten Fall ganz zu verhindern, werden wohl erst dann bestehen, wenn man ihre Ursache herausgefunden hat. Und genau daran arbeiten britische Wissenschaftler mit Hochdruck. Eine Vermutung ist, dass ein Bakterium – das im Boden vorkommende Clostridium botulinum Typ C – ein auslösender Faktor sein könnte.

«Für eine aktuelle Versuchsreihe sind rund 1000 Pferde gegen das Bakterium geimpft worden. Das Ergebnis wird aber erst im Laufe des nächsten Jahres feststehen», sagt Katherine Thomson vom Equine Grass Sickness Fund. Zeitgleich unterstützt die Organisation eine andere Studie, die untersucht, ob ein vom Pilz Fusarium produziertes Nervengift die Graskrankheit verursacht. Schon vor über 20 Jahren hatten Forscher nachgewiesen, dass der Pilz auf Weiden, auf denen Tiere erkranken, überproportional vertreten ist.