Der Kopf des Reiters sollte in natürlicher Haltung, gerade über der Wirbelsäule, ausbalanciert und ruhig getragen werden, mit Blick in die Bewegungsrichtung des Pferdes. Klingt einfach, fällt vielen Reitern aber enorm schwer. Wie von selber senkt sich der Kopf immer wieder, die Augen schauen auf den Widerrist statt auf den Hufschlag. Auch das Vorstrecken des Kopfes in Schildkrötenmanier, Schiefhaltung oder starkes Wackeln sind verbreitet. 

«Fehler bei der Kopfhaltung sind selten das eigentliche Problem, sondern nur das Symptom, häufig für fehlende Balance oder ein zu steifes Becken», erklärt Marion Streich, Physiotherapeutin und Centered-Riding-Instruktorin von Kentaurion GmbH aus Frauenfeld TG. «Deshalb kann es langfristig auch nicht funktionieren, wenn der Reiter nun versucht, die Kopfhaltung losgelöst vom Rest des Körpers zu verbessern.» Also zum Beispiel krampfhaft versucht, den Kopf still zu halten oder nach vorne zu schauen. Oft verschlimmere das die Sache sogar, weil erzwungenes Ruhighalten zu einer starren Schulter- und Nackenpartie führt und einen losgelassenen Sitz unmöglich macht.

Steifer Reiter, steifes Pferd 
Wie der Reiter seinen Kopf hält, trägt nicht nur viel zum Gesamtbild bei, die Kopfhaltung hat auch grossen Einfluss auf den restlichen Sitz, die Hilfengebung sowie auf Haltung und Gangbild des Pferdes. So geht ein starrer Blick des Reiters in der Regel mit einer hohen Körperspannung einher, was sich wiederum auf das Pferd überträgt: «Oft kann man zwischen dem Sitz des Reiters und der Haltung des Pferdes interessante Parallelen beobachten: So ist es oft so, dass sich auch das Pferd im Genick fest macht, wenn der Reiter einen starren Blick und einen steifen Nacken hat», sagt Streich, die ihre landesweiten Sitzschulungen für Reiter mit physiotherapeutischen Befunderhebungen verknüpft.

Ein blockiertes Becken kann der Grund dafür sein, dass der Reiter den Kopf schief hält. Anders herum führt der ständige Blick seitlich zum Boden statt nach vorne auch dazu, dass die Wirbelsäule nicht mehr gerade ist. Die Schiefe des Reiters bringt dann auch das Pferd aus dem Gleichgewicht, es kann nicht mehr gerade gerichtet laufen und kommt aus der Spur.

Das Becken muss mitschwingen
Reiter, die ständig nach unten schauen, beugen zwangsläufig den Hals, machen automatisch den Rücken rund, senken das Brustbein, atmen flacher und verändern die Position der Sitzbeinhöcker, was wiederum ein lockeres Mitschwingen unmöglich macht. Der Reiter sitzt gegen die Bewegung und hemmt den Vorwärtsdrang des Pferdes. Wer den Blick ständig auf den Hals des Pferdes richtet, sieht zudem nicht, was in der Umgebung passiert, also ob etwa auf dem Viereck ein anderer Reiter den Weg kreuzt oder auf der Lichtung ein Reh auftaucht.

«Der Blick nach unten hat manchmal auch damit zu tun, dass der Reiter aufs Pferd schauen und überprüfen will, wie es läuft», weiss Streich. Das sei in der heutigen, sehr visuellen Zeit zwar verständlich, aber nicht zielführend – denn durch den Fokus auf Schultern und Genick werde dann oft die wichtige Hinterhand, der Motor des Pferdes, vergessen. Sie rät in solchen Fällen dazu, sich ganz bewusst auf die Hinterhand zu konzentrieren. Und da man sie nicht sehen kann, muss man lernen, sie zu fühlen. Das verbessert einmal die Hilfengebung. Zum anderen führt der veränderte Fokus in vielen Fällen ganz automatisch dazu, dass der Reiter den Blick wieder hebt.

«Spüren lernen» ist auch Marion Streichs Ansatz, wenn es um die Beckenbeweglichkeit geht. Viele wüssten gar nicht genau, wie ihr Becken eigentlich aussieht, wie es funktioniert und wo die Sitzbeinhöcker liegen. Das zu lernen, sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem verbesserten Körpergefühl. Damit die Bewegung des Pferdes durch den Körper des Reiters fliessen kann, müsse sein Becken mitschwingen. «Die Bewegung der Beckenschaufeln fühlt sich dann etwa so an, als würde man rückwärts Fahrrad fahren», sagt Streich.

Um alte Bewegungsmuster aufzubrechen, neue zu erlernen und den Körper neu auszubalancieren, lässt die Fachfrau ihre Schüler für kurze Trainingssequenzen spezielle Bälle aus der Physiotherapie (alternativ eignen sich die in Reiterkreisen bekannten Franklin-Bälle) unter die Sitzbeinhöcker legen. Ab und zu sollen die Reiter auch die Hände unter ihr Gesäss schieben, um herauszufinden, ob ihre Sitzbeinhöcker im Lot sind. Dann spüre man nämlich sehr gut, ob man eine Seite vielleicht viel stärker spürt als die andere. Beim Reiten bedeute das, dass man die ganze Zeit eine unbewusste Hilfe gibt, die vielleicht oft ganz widersprüchlich zu der Zügelhilfe ist – «für das Pferd eine ausgesprochen verwirrende Situation», sagt Streich.

Reiter, die im Hohlkreuz sitzen, würden bei dieser Übung gar keine Sitzbeinhöcker spüren. Das Hohlkreuz sei oftmals ein Zeichen von fehlender Bauchmuskulatur und Rumpfstabilität, die wiederum Voraussetzung für ein bewegliches Becken ist. 

Innere Bilder sind hilfreich
«Das Ziel ist eine stabile Mobilität», betont Streich. Um das zu erreichen, können spezielle Mobilisationsübungen, Bauchmuskeltraining und Gleichgewichtsübungen helfen. Bei starken Muskelverspannungen, Schiefstellungen der Wirbelsäule, einem chronisch verspannten Nacken oder anderen körperlichen Problemen sollte man neben dem Reitlehrer auch einen Osteopathen oder Physiotherapeuten konsultieren.

Um den Sitz während des Reitens zu verbessern, empfiehlt Marion Streich innere Bilder. Es helfe oft enorm, wenn man sich vorstellt, das Becken sei ein Gummiband, das bei jeder Bewegung nach oben und nach unten federt. «Für die Aufrichtung der Wirbelsäule profitieren viele von der Vorstellung, dass sie gegen die Decke wachsen.» Und die korrekte Kopfhaltung falle leichter, wenn man sich vorstellt, der Kopf sei eine Kugel, die man auf der Wirbelsäule ausbalanciert.