Die Zucht hat in den meisten Taubenschlägen bereits begonnen. Als Züchter hat man die vermeintlich besten Tiere ausgewählt und zusammengepaart. Basis dazu waren zum einen der Phänotyp, also das Aussehen, und der genetische Hintergrund. Ein verantwortungsvoller Züchter führt deshalb ein sogenanntes Zuchtbuch und schaut genau, welche Partner idealerweise zusammenpassen. 

Die Folgen dieser Verpaarungen sind in diesen Tagen zu erleben. Denn so einträchtig, wie man denkt, sind Tauben nicht. Manche Rassen sind sogar äusserst streitsüchtig und untereinander aggressiv. Aber auch hier gibt es keine Regel ohne Ausnahme. Gerade diese Tatsache macht es so schwierig, Standardrezepte und Lösungsansätze zu geben. Die Täuber sind in dieser Zeit meistens die Unruhestifter. Man hat als aufmerksamer Beobachter den Eindruck, als würden die Hormone mit ihnen durchgehen. Sie gurren intensiv, fliegen überaus eifrig umher und treiben die Täubinnen von einer Ecke in die andere. Eigentlich versuchen sie unentwegt, die Täubinnen in eine Nistzelle zu locken.

Obwohl die Täuber im Idealfall bereits im Vorfeld in diesem Taubenschlag waren und die Nistzellen fest vergeben waren, ist auf einmal nichts mehr so, wie es war. Das Protzgehabe vor den Täubinnen scheint alles durcheinanderzubringen. Denn selbst die Täuber gehen nun wieder aufeinander los. Dabei ist es völlig egal, wie viele Tauben in einem Schlag untergebracht sind. Das spezielle Wesen der Rasse ist entscheidend. So sind zum Beispiel Kingtauben äusserst auf Konfrontation gebürstet und fordern von Haus aus ein stattliches Revier. 

Den meisten Farbentauben hingegen gefällt es, wenn viele Artgenossen um sie herum sind. Das hat jedoch weder mit der Grös­se der Rasse noch mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rassengruppe zu tun. Obwohl nämlich alle von der Felsentaube (Columba livia) abstammen, sind sie doch äusserst verschieden. Rassetaube ist also nicht gleich Rassetaube. Züchter, die mehrere Farbenschläge einer Rasse züchten, berichten sogar davon, dass selbst dazwischen individuelle Unterschiede bestehen. Bei mehr als 350 anerkannten Rassen und in der Regel 20 Farbenschlägen pro Rasse kann man sich leicht vorstellen, welche Vielfalt da herrscht.

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Die Ursache dieses Verhaltens ist die sogenannte Individualdistanz. Wird diese eingehalten, gibt es keine Probleme. Sobald sie aber unterschritten wird, ist die Taube aus ihrem ureigensten Instinkt heraus dazu angehalten, sich ihr Revier wieder zu erobern. Je nach Temperament der einzelnen Taube kann es vorkommen, dass das Tier nach vorne geht oder aber einer Auseinandersetzung aus dem Weg geht. Das Zurückweichen findet aber in den wenigsten Fällen statt. Hat man mehrere Rassen in einem Schlag untergebracht, entdeckt man dieses Verhalten häufiger als bei einer Rasse. 

Tauben erkennen Farben und Muster
Völlig vermeiden lassen sich diese Rangkämpfe aber nicht. Sie gehören zum typischen Verhalten von Tauben, das in gewisser Weise auch zum Balzspiel gehört. Schliesslich weiss man aus Versuchen, dass bei Einzelpaarhaltung ohne die Möglichkeit zu Revierkämpfen die Befruchtung und das Triebverhalten deutlich eingeschränkt sind.

Zum Problem kann es allerdings werden, wenn die Täuber in fremde Nistzellen eindringen. Wenn dann bereits Eier gelegt sind, kann es zum Totalverlust des Geleges kommen. Je konstanter die Tauben ihre Nistzelle anfliegen, desto besser ist es. Die Züchter unternehmen deshalb einiges, um das zu fördern.

Eine äusserst einfache, aber sinnvolle Vorgehensweise ist, die Nistzellen durch verschiedene Farben zu kennzeichnen. Tauben erkennen Farben sehr schnell und können diese mit ihrer Nistzelle rasch verbinden. Inwieweit man die Farbe anbringt, bleibt dabei jedem Züchter selbst überlassen. Einige färben nur einen Teil der Nistzelle ein, andere wiederum die gesamte Zelle und wieder andere nur die Zellenrückwand. Man wird überrascht sein, wie schnell die Tauben das erkennen und entsprechend anfliegen. 

Doch nicht nur Farben erkennen Tauben, sondern auch Muster. Ein Züchter hat an der Rückwand seiner Nistzellen verschiedenste Muster in unterschiedlichen Farben angebracht. Diese Muster druckt er regelmässig aus und steckt sie in eine Prospekthülle. Damit lassen sie sich schnell und ohne grossen Aufwand austauschen. Berichten zufolge speichern Tauben «ihr Muster» ab und sind selbst fürs nächste Jahr schon darauf eingerichtet. Wie weit Tauben solche Muster erkennen, sieht man daran, dass manche Züchter an den Nistzellen Spielkarten anheften. Selbst mit komplexen Mustern kommen Tauben also problemlos zurecht.

Nistzellen im Regalsystem anordnen
Eine weitere sinnvolle Variante kann es sein, die Nistzellen an verschiedenen Stellen im Taubenschlag anzubringen. Bei den meisten Züchtern ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Nistzellen an einer Schlagwand im Regalsystem angeordnet sind. Die Folgen sind, dass alle Tauben dieses anfliegen. Bringt man die Nistzellen, gerne auch als Einzelnistzellen, an verschiedenen Wänden und Höhen an, gibt es eine wesentliche Entzerrung. Der Pflege- und Reinigungsaufwand ist hier etwas umfangreicher, aber die Tauben sind davon begeistert. Zudem haben sie durch die räumliche Trennung deutlich mehr Ruhe. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb manche Zuchtpaare zum Beispiel auf den Boden in einer freien Schlagecke gehen und dort brüten wollen, obwohl noch freie Nistzellen vorhanden sind.

Der Zuchtbeginn beziehungsweise die Zeit der Eingewöhnung der neuen Zuchtpaare kann durchaus zu Unruhe im Taubenschlag führen. Einfache Hilfen und Veränderungen können den Tauben eine wertvolle Struktur bieten, die für deutlich mehr Ruhe sorgt. Und das ist einer der grössten Garanten, dass das neue Zuchtjahr gut beginnt.