Viele Haustiere sind unterbeschäftigt. Schaut man sich einmal an, wie die wilden Verwandten unserer treuen Begleiter ihren Alltag verbringen, wird schnell klar, dass Langeweile selten aufkommt. Auf Nahrungssuche gehen, nach Feinden Ausschau halten, Geschlechtspartner finden, Junge aufziehen, Reviere verteidigen – wilde Tiere haben einen Vollzeitjob. In der Obhut des Menschen dagegen haben unsere Haus- und Nutztiere alles, was sie für ein gutes Leben brauchen und das, ohne sich dafür sonderlich anstrengen zu müssen.

Besonders Kaninchen sind intelligente und neugierige Tiere, die in ihrem Bedürfnis nach Abwechslung im Alltag oft unterschätzt werden. Im Therapietiergarten des REHAB Basel, einer hoch spezialisierten Klinik für Neurorehabilitation und Paraplegiologie, werden die vier Kaninchen regelmässig beschäftigt, um körperlich und geistig gesund zu bleiben. Sie werden, neben Pferden, Schafen, Hühnern und weiteren Tieren, in der Tiergestützten Therapie eingesetzt, weshalb es wichtig ist, ausgeglichene und zutrauliche Tiere zu haben. Die Tiergestützte Therapie ist eine zielgerichtete, therapeutische Intervention, bei der medizinisch-therapeutische Fachpersonen Tiere als Bestandteil des Behandlungsprozesses einsetzen. Die tierischen Therapeuten werden sorgfältig auf ihre Aufgaben vorbereitet, weshalb Training und Beschäftigungen täglich auf dem Programm stehen.

[IMG 2]

Kreativität ist gefragt

Lorena Wegmüller, Betriebsleiterin des Therapietiergartens, ist mit ihrem Team von Tierpflegern dafür zuständig, dass es den Kaninchen an nichts fehlt. «Der Lebensraum der Tiere ist durch uns begrenzt. Daher müssen wir neue und unvorhergesehene Anreize bieten, damit keine Langeweile entsteht.» Sie hält ein Bündel Kräuter und Gemüsestückchen in der Hand. Das Futter befestigt sie mit Wäscheklammern an einer Schnur und hängt die Konstruktion im Gehege auf. Neugierig kommt das Kaninchen-Quartett herangehüpft und versucht, an die in der Luft baumelnden Leckereien zu kommen, was sich als gar nicht so einfach erweist.

Da fast die Hälfte eines Kaninchentages durch das Suchen nach Nahrung und Fressen ausgefüllt ist, lassen sich über das Futter vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten gestalten. Im Gehege der Therapiekaninchen steht dazu ein Futterbaum: Ein dicker Ast ist senkrecht auf einem Holzbrett verankert und mit hineingebohrten Löchern versehen. Die Tierpflegerin hat bereits Salat, Kräuter und frische Äste bereitgelegt, die in die Öffnungen des Asts gesteckt werden. Die neugierigen Langohren kennen den Baum bereits. Nach einem kurzen Beschnuppern und dem Auskundschaften der lohnendsten Leckereien strecken sich die Tiere und ziehen das Futter aus den Löchern heraus.

[IMG 3]

Hundespielzeuge eignen sich nicht nur für Bello und Co., sondern können auch für die klugen und äusserst verspielten Mümmelmänner eingesetzt werden. Mit Leckerli gefüllte Futterbälle, die durch das Kaninchen ins Rollen gebracht werden, bis das Futter aus einer Öffnung herausfällt, sind bei den Tieren beliebt. Bei im Fachhandel erhältlichen Intelligenzspielen können sie ihr Köpfchen unter Beweis stellen. Durch das Verschieben oder Anheben von Elementen müssen sich die versteckten Leckerbissen strategisch erarbeitet werden.

Beschäftigungsmöglichkeiten müssen jedoch nicht viel kosten und können auch einfach zu Hause hergestellt werden. Ein Tannenzapfen, zwischen dessen einzelnen Schuppen Kräuter, Karotten- und Fenchelstücke stecken, sorgt für weitere Aufregung im Gehege der Therapiekaninchen. Es ist gar nicht so einfach, das Futter aus dem hin und her rollenden Zapfen herauszuklauben, und doch gibt der Zwergwidder Gustav nicht so schnell auf. Leere WC-Papierrollen, die mit Leckerli gefüllt und von beiden Seiten mit Heu verschlossen werden, sind weitere kostengünstige Möglichkeiten und werden gerne auseinandergenommen. Einen mit Futterstücken gefüllten Eierkarton zu öffnen, ist eine Herausforderung für Kaninchen und beschäftigt die Tiere für eine Weile. «Wichtig ist es, die Beschäftigungen immer wieder herauszunehmen, damit nichts gefressen wird, was nicht gefressen werden soll, und damit eine Beschäftigung nicht irgendwann zur Gewohnheit wird», erklärt Frau Wegmüller.

[IMG 4]

Mit Target und Klicker zum Erfolg

Auch wenn Futter eine tolle Beschäftigungsmöglichkeit darstellt, gibt es zusätzlich andere Wege, seine Mümmelmänner bei Laune zu halten. Als äusserst neugierige Tiere erkunden Kaninchen sofort neue und unbekannte Dinge im Gehege. Regelmässig die Einrichtung umzustellen oder ab und zu neue Einrichtungsgegenstände zu kaufen oder zu bauen, stimuliert die Sinne der Kaninchen. Dabei muss es nicht aufwendig sein. Schon eine Kartonschachtel, die mit zerknülltem Zeitungspapier oder anderem Material gefüllt ist, zieht die Tiere magisch an. Reichlich Buddelmöglichkeiten, abwechslungsreicher Bodengrund und Freilauf lassen jedes Kaninchenherz höherschlagen. Eine weitere Beschäftigung, die Tier und Mensch gleichermassen Spass macht und herausfordert, ist das Erlernen von Kunststücken.

Lorena Wegmüller hält einen Targetstick in der einen Hand, in der anderen befinden sich kleine Leckerli. Sofort kommt Kaninchen Kurt herangehoppelt. Berührt er den kleinen schwarzen Ball am Ende das Targetsticks, erhält er einen der Leckerbissen. Durch diese Trainingshilfe kann man ihm beibringen, Männchen zu machen, einen Agility-Parcours zu meistern oder stressfrei in eine Transportbox zu hoppeln. «Kaninchen sind super Kandidaten für das Target- oder Klickertraining, denn sie sind sehr neugierig und schlau», erklärt Frau Wegmüller. «Das Training dient als Beschäftigung und stärkt zudem die Bindung zwischen Mensch und Tier.»

[IMG 5]

Die Ideen gehen im Therapietiergarten der REHAB Basel jedenfalls nicht so schnell aus. Neben den Tierpflegern helfen auch die Klinikpatienten und die Therapeuten fleissig mit, um neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu generieren. Auch bei seinen Tieren zu Hause sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Egal, für welche Beschäftigungen man sich entscheidet und ob diese gebastelt oder gekauft sind, seinen Tieren tut man damit immer etwas Gutes. Kaninchen, die geistig und körperlich gefordert sind, sind ausgeglichenere, zufriedenere und gesündere Tiere.