Für viele Hundehalterinnen und Hundehalter ist die Vorstellung, ihrem Hund einen Maulkorb anzulegen, undenkbar. Schliesslich kommt es für sie fast einer Zwangsmassnahme gleich, gar einer Beschneidung der Persönlichkeitsrechte ihres Hundes. Doch gerade das Gegenteil ist der Fall, denn ein Maulkorb kann durchaus auch neue Freiheiten ermöglichen. Leider werden Hunde mit Maulkorb meist stigmatisiert. Sie gelten in der Regel als besonders gefährlich und somit angsteinflössend. Dass der Maulkorb aber ein ganz normales Hilfsmittel in der Hundehaltung ist, wie Halsband, Geschirr und Leine, wird vielfach vergessen. Nur selten wird der Grund des Tragens hinterfragt. Derweil gibt es viele Gründe, einem Vierbeiner einen Maulkorb anzulegen, sei es aus Vorsicht oder Vorschrift. «Ich persönlich trainiere etwa vier Wochen lang mit den Hunden, einen Maulkorb zu tragen, denn man kann nicht an Orten, wo es Pflicht ist, einfach dem Hund unkompliziert einen Maulkorb aufsetzen», sagt Patricia Flace von der Hundeschule «Dein Hund – Dein Freund».

Gutes Hilfsmittel

«Ich hatte auch mal eine sehr unsichere Hündin in meiner Hundeschule, die nie ohne Maulkorb ging, da sie aus ihrer Unsicherheit in bestimmten Situationen andere Hunde gebissen hatte. So habe ich dann mit ihr wochenlang trainiert. Dadurch wurde die Besitzerin ruhiger und entspannter, was sich auch auf die Hündin übertragen hat. Und wenn die Besitzerin dann den Maulkorb nahm, freute sich die Hündin schliesslich schon, da es ja jetzt raus auf Entdeckungstour ging. Sie lief dann bei mir in der Gruppe mit sechs Hunden und es war nie mehr ein Problem. Alle waren entspannt und die Hündin konnte mit Maulkorb sogar frei laufen. So etwas zu sehen, ist wirklich toll», hält Flace fest.

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Früh übt sich

Mit der Gewöhnung an einen Maulkorb sollte so früh wie möglich begonnen werden, damit der Hund das Tragen bald schon als völlige Selbstverständlichkeit empfindet. «Es braucht Vertrauen und auch positive Verstärker, um den Hund natürlich an den Maulkorb zu gewöhnen, denn er soll ihn stressfrei tragen», erklärt die Hundetrainerin aus Hochfelden ZH. Zunächst gilt es jedoch, den richtigen Maulkorb zu finden. «Dafür lässt man sich am besten im Fachhandel beraten. Der Maulkorb muss optimal passen, damit er dem Hund nicht unangenehm ist. Es empfiehlt sich daher, einfach mehrere Modelle im Geschäft durchzuprobieren», sagt Patrizia Flace.

Der Maulkorb muss unbedingt passen

Zu beachten ist, dass der Korb weder zu eng noch zu weit ist. Der Hund darf ihn nicht selber mit der Pfote abstreifen können. Und natürlich darf er auch nicht scheuern, in die Augen drücken und beim Sehen behindern. Für einen komfortablen Sitz ist eine leichte Polsterung im Gesichtsbereich wichtig. «Gerade an der Nase darf der Korb nicht zu eng sein. Die Schnauze benötigt ausreichend Platz, der Hund muss noch problemlos trinken und hecheln können. Das ist ganz wichtig», erklärt die Trainerin. Das Gitter muss engmaschig und stabil sein, damit die Zähne nicht durchkommen und auch nichts Fressbares vom Boden aufgenommen werden kann. Bezüglich des Materials gibt es Modelle aus Nylon, Kunststoff, Metall und Leder. Welche Variante letztendlich die geeignetste ist, hängt neben der Kopfform des Hundes auch von Tragezweck und -dauer ab. Selbst für kurznasige Hunde wie Bulldoggen gibt es spezielle Maulkörbe. Hier ist jedoch besonders darauf zu achten, dass die ohnehin oft schon in ihrer Atmung sehr beeinträchtigten Tiere nicht auch noch zusätzlich in ihrer Atmung behindert werden – nämlich durch einen schlecht geschnittenen oder unpassend verarbeiteten Maulkorb.

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Nylon-Körbe und -Schlaufen sind generell nur für den ganz kurzen Gebrauch wie beispielsweise beim Tierarzt gedacht, denn hier wird die Schnauze eng zusammengehalten, sodass auch kein Hecheln möglich ist. Lederkörbe sind oft nicht ideal, weil viele von ihnen nicht optimal sitzen, instabil sind und zu weite Gitter haben. Ausserdem muss Leder gepflegt werden und selbst dann wird es mit der Zeit brüchig. Metall-Maulkörbe bieten einen stabilen Beissschutz, sind richtig hygienisch, da leicht zu reinigen, und ermöglichen Hecheln und Trinken. Allerdings sind sie auch etwas schwerer als Kunststoff-Maulkörbe und bieten eine gewisse Verletzungsgefahr für Dritte, wenn jemand mit dem Korb getroffen wird, oder auch für den Hund, falls dieser irgendwo anstösst. «Daher bevorzuge ich persönlich Maulkörbe aus Kunststoff», so Patrizia Flace. «Ausführungen aus Leder und Metall kommen für mich eher nicht infrage.» Kunststoff-Maulkörbe sind nicht nur in stabilen, sondern in sehr leichten Ausführungen erhältlich. Ihre Reinigung ist einfach. Sie bieten neben sicherem Beissschutz auch ausreichend Raum zum Hecheln und Trinken.

Schritt für Schritt zum Erfolg

Die Gewöhnung an den Maulkorb muss ganz behutsam und in kleinen Schritten erfolgen, am besten bereits beim Junghund. Viel Geduld und positive Verstärkung sind Pflicht im Training, wie Trainerin Flace im Folgenden beschreibt. «Ich fange immer an, ein paar Leckerli oder Hundeleberwurst in den Maulkorb zu geben, und lasse den Hund diese die ersten Tage nur rausfressen, bis er es richtig toll findet. Wenn das gut klappt, schliesse ich beim nächsten Mal den Maulkorb ganz kurz und öffne ihn sofort wieder. Diese Übung mache ich wieder für ein paar Tage. Funktioniert auch das ohne Probleme, kommt wieder Futter in den Maulkorb, er wird dem Hund aufgesetzt, dann geschlossen und wir gehen ein paar Meter damit, ehe der Korb dann gleich wieder runterkommt. Sobald der Hund auch das akzeptiert hat, wird die Tragedauer allmählich verlängert, immer mit positiver Verstärkung, sprich Guddi und viel Lob», so die Trainerin.

Entspanntes Training

Das Abnehmen des Korbes hingegen geschieht stets kommentarlos und ohne Leckerligabe. Würde auch hier nochmal belohnt werden, kann es der Hund bald nicht mehr erwarten, bis ihm der Korb wieder abgenommen wird, und das wäre höchst kontraproduktiv. Wichtig ist auch, dass man selbst ganz entspannt an das Training herangeht. Denn haben die Hundeführer bereits eine Antipathie gegenüber dem Maulkorb, überträgt sich das unter Umständen auf den Vierbeiner. Es empfiehlt sich zudem, den Hund in der Gewöhnungsphase zu beschäftigen («Sitz», «Schau», «Pfötchen»), während er den Korb trägt. «Auf diese Weise verknüpft er den Maulkorb schnell mit einer spassigen Aktion, die obendrein auch noch belohnt wird. Somit vergisst der Hund den Maulkorb schnell und das zunächst ungewohnte Gefühl beim Tragen normalisiert sich rasch. Schon bald verbindet er das Anlegen des Maulkorbes mit Aktionen, die Spass machen», sagt Patrizia Flace.

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Der Korb wird nicht abgenommen, wenn der Vierbeiner ihn schon selber loswerden möchte. Hier darf man ruhig auch verbal korrigieren («Nein») beziehungsweise den Hund erneut über ein Kommando wie zum Beispiel «Schau» ablenken (Lob nicht vergessen!). «Man sollte immer auf einen zumindest kurzen Moment warten, in dem der Hund den Maulkorb ruhig akzeptiert. Ansonsten lernt der Vierbeiner nur, dass sein Meideverhalten zum Erfolg, nämlich zur Abnahme des Korbes führt», erklärt die Hundetrainerin. Gerade in der Übungsphase trägt der Hund den Maulkorb nicht nur in den schwierigen Situationen, die aufregend für ihn sind, sondern am besten im ganz normalen Alltag, der Spass macht, wie beispielsweise bei einem schönen Spaziergang. Und auch hier wird der Vierbeiner anfangs stets mit ein paar interessanten Schnüffelaufgaben abgelenkt.